Das deutsche Management in der Führungskrise

Die sechs aktuellen Herausforderungen an die Führungskraft und Antworten (13.10.2022)

Das deutsche Management steckt in der Führungskrise. Zusätzlich zur Corona-Krise und Energie-Krise fehlen den deutschen Manager/innen die passenden Antworten, um ihre Mitarbeiter/innen in schwierigen Zeiten zu führen. Sechs Herausforderungen lassen sich benennen.

1.Die Corona-Krise

Viele Mitarbeiter/innen von Unternehmen sind als Folge der Corona-Krise stark erschöpft. Eine Gallup-Studie aus dem Jahre 2020 verdeutlicht, wie hoch die psychische Belastung ist. Laut Studie gab mehr als jeder Dritte (2020: 35 %)  an, sich »innerlich ausgebrannt« zu fühlen. Im  Vorjahre (2019: 26 % ) waren es 9 Prozent weniger gewesen. Die hohe psychische Belastung gilt als ein großer Risikofaktor für Burnout. Die Unternehmen könnten hier gegensteuern, so der Gallup-Experte Nink. Das Burnout-Risiko hänge auch mit der emotionalen Bindung der Mitarbeiter/innnen an das Unternehmen zusammen: Je höher die Bindung, desto niedriger das Erkrankungsrisiko.

Um die negativen Effekte einer mangelnden emotionalen Bindung zum Unternehmen zu verhindern, müsse das Führungspersonal aktiv werden. Dazu bedarf es nach Einschätzung von Marco Nink eigentlich nicht viel. Entscheidend sei die Wertschätzung der Mitarbeitenden. Ein jeder Mitarbeitende müsse sich als Mensch wahrgenommen fühlen. Gelingt dies den Vorgesetzten, dann überträgt sich dieses Gefühl auf das ganze Unternehmen. Das stärkt die Bindung der Mitarbeiter/innen und senkt die Fluktuationsrate, so Nink. Die Führungskraft ist demnach gefordert, eine emotionale Bindung der Mitarbeiter/innen zu schaffen durch einen wertschätzenden Umgang mit den Mitarbeiter/innen. vgl. Gallup Report 2020.

2. Eine erhöhte Fluktuation der Arbeitskräfte und die innere Kündigung

Eine schlechte Führung der Mitarbeiter/innenführung gefährdet zur Zeit die Firmen stark. Laut Gallup-Report 2020, steigt die Zahl derer, die innerlich gekündigt haben. Waren es im Jahr 2019 noch 73 % der Befragten, die angaben, in einem Jahr noch bei ihrem jetzigen Unternehmen tätig sein zu wollen, stimmten 2020 nur noch 61 % zu. 37 % der Befragten sind nach eigenen Angaben bereits auf der Suche nach einem neuen Job, damit ist mehr als jeder dritte auf dem Absprung. Die erhöhte Wechselbereitschaft belegt die innere Distanz zum Unternehmen und wirkt sich negativ auf die Fluktuationsrate aus.

Die Corona-Krise hat die Situation verschärft. Ganze 48% der Mitarbeitenden haben, laut Gallup-Studie, das Gefühl, dass sich ihr Unternehmen nicht für ihr Wohlergehen interessiert. Ein Informationsvakuum führt zu größerer Unsicherheit, Unzufriedenheit und einem Vertrauensverlust bei den Mitarbeitenden. Sicherheit und Vertrauen sind jedoch gerade in Zeiten der Krise so wichtig, denn die Corona-Pandemie ist für jede Person eine Bedrohung und geht mit vielfältigen Ängsten und Sorgen um die eigene Gesundheit, den Arbeitsplatz, die sozialen Entbehrungen und vieles mehr einher.

3. Die Generation Y (1980-1995)

Die Zugehörigen der Generation Y (y=why=warum) sind die Nachfolger der Babyboomer (ca. 1955 bis 1969) und der Generation X (ca. 1965 bis 1980). Die Generation Y ist Vorgänger der Generation Z (ca. 1995 bis 2010). Der Generation Y wird nachgesagt, von Natur aus sehr neugierig zu sein und Althergebrachtes zu hinterfragen. Dieses Merkmal soll vor allem in der Arbeitswelt vorherrschend sein. Sie stellen Hierarchien in Frage und streben stattdessen nach Selbstbestimmung. Sie möchten selbst denken, eigenständig handeln sowie ihre Tätigkeit mobil und mit flexiblen Arbeitszeiten ausführen, um eine ausgeglichene Work-Life-Balance zu erhalten. Den Millennials ist es wichtig, dass ihre Arbeit einen Sinn hat, Abwechslung bietet und ihnen Freude bereitet, so die Internet-Publikation“Ravens 51″.

Eine Studie „World of Work“, welche durch das Karriereportal „Monster“ durchgeführt wurde, zeigt auf, dass bei der Generation Y ein Wertewandel im Vergleich zur früheren Gesellschaft stattgefunden hat. Denn im Gegensatz zu dieser stehen ein hohes Einkommen und Jobsicherheit bei den Millennials nicht mehr an erster Stelle. Stattdessen sind ihnen neben der Vereinbarung von Job und Privatleben zum Beispiel ein kontinuierliches Feedback der Vorgesetzten und eine Verbesserung der Führungsqualitäten sehr wichtig.

Zudem ist, so die Studie, ein gestärktes Selbstbewusstsein unter den Arbeitnehmern der Generation Y zu spüren. So hatten bei 4.000 Befragten 70 % eine ganz genaue Vorstellung davon, wie ihre Karriere aussehen soll, wobei sich zudem über 50 % von ihnen sicher waren, dieses Ziel auch zu erreichen. vgl. die Internet-Publikation“Ravens 51″

4. Migranten als Mitarbeiter/innen

Die Zielgruppe der Führungskraft ist sehr differenziert. Eine soziale Homogenität (Gleichheit) der Mitarbeiter/innen ist nicht gegeben. 2019 hatten nach Zahlen des Mikrozensus 21,9 Millionen Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund, was 26,7 Prozent der Bevölkerung in deutschen Privathaushalten entspricht. Mehr als die Hälfte davon sind deutsche Staatsangehörige (52,4 Prozent).

Die meisten der 21,9 Millionen Personen mit Migrationshintergrund stammten im Jahr 2020 aus der Türkei (12,6 Prozent), gefolgt von Polen (9,4 Prozent), Russland (5,6 Prozent), Rumänien und Italien (4,3 bzw. 4,2 Prozent). Kasachstan und Syrien sind mit Anteilen von 5,2 bzw. 5.0 Prozent vertreten. Rund eine Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine befinden sich im Jahre 2022  in Deutschland.

Die Herkunftsländer von Menschen mit Migrationsgeschichte sind oftmals autoritär strukturiert. Viele Menschen mit Migrationsgeschichte sind zwar in Deutschland groß geworden und kulturell stark von der  Mehrheitsgesellschaft geprägt. In Stress-Momenten kann es immer bei Mitarbeiterinnen mit Migrationsgeschichte zu neuronalen Flashbacks kommen und dem Wiederaufleben tradierter Verhaltensmuster. Daraus folgt, dass die gegenwärtige Führungskraft eine interkulturelle Kompetenz haben sollte und die tradierten Denkmuster seiner Mitarbeiter/innen kennen sollte. Gefragt ist hier die Kompetenz der Führungskraft, im Stil zu arbeiten: demokratisch/kooperativ, situativ und wenn möglich im Stil „laissez faire“.

5. Schlechte psychologische Ausbildung der Führungskräfte im digitalen Bereich

Laut Gallup-Umfragen hatten 2014 über 80 Prozent der Angestellten in den westeuropäischen Staaten „innerlich gekündigt“. Das heißt, sie arbeiteten nicht mehr als notwendig. Ihr Job und ihre Arbeitsbedingungen frustrieren sie. Sie haben, so Andreas Maron, ein anderes Bild von Arbeit. Dabei spielt das Gehalt nicht mehr als eine „hygienische Rolle.“ Maron 2014.

Gerade die digitale Industrie frustriert die Mehrzahl der Mitarbeiter/innen. Eine Studie aus dem Jahre 2017 kommt zu dem Schluss, dass bei Stress der Tonfall der Vorgesetzten hier autoritär wird und die Mitarbeiter/innen nicht motiviert. Drei von vier Unternehmen leiden in Deutschland unter einem mangelnden psychologischen Know-how ihrer Manager. Ohne ein neues, sprich demokratisch strukturiertes Verständnis vom Führung, werde es den Unternehmen nur sehr schwer gelingen, die innovativen Potentiale ihrer Mitarbeiter/innen zu heben, sagt Thomas Rohrbach 2017. Er fordert die Schaffung die Umgestaltung der Industrie und  eine „Smart-Factory“, technologisch aber auch Führungskräfte-technisch.

Die Forderungen sind deutlich: Führungskräfte sollen nicht ihrer alten Rolle nachtrauern, sondern Mitarbeiter/innen als Partner begreifen. Sie sollen Moderatoren des Verständnisprozesses ihrer Mitarbeiter/innen sein, diese coachen, gemeinsam mit Ihnen über nachhaltige Verbesserungen diskutieren und sich intensiv der Weiterentwicklung des Personals widmen.

Das bedeutet, dass gerade die Führungskraft in der digitalen Industrie sich vom eher dominanten autoritären Führungsstil verabschieden muss und im Stande sein muss, situativ zu führen. Im Mittelpunkt des Führungsinteresses müssen dabei Mitarbeiter/innen stehen in ihrer gegebenen sozialen und psychischen Struktur.  Die Führungskraft muss bereit und im Stande sein, zu lernen. Vgl. z.B. https://www.perwiss.de/fuehrung-4-0.html

6. Warum neue Führungsqualitäten für deutsche Unternehmen unausweichlich sind

Umso wichtiger sind gute Führungsqualitäten sagt die Gallup-Studie. „Denn die Kosten schlechter Führung können ein Unternehmen – je nach Größe – mehrere Milliarden Euro kosten. Und das bezieht sich nicht nur auf die Kosten, die durch einen Jobwechsel und dem damit verbundenen Fachkräftemangel entstehen. Eine Belegschaft, die innerlich bereits gekündigt hat, weist in der Regel eine geringere Mitarbeitermotivation auf und zeigt weniger Verantwortungsbewusstsein und Leistungsbereitschaft, was sich in einer geringeren Produktivität niederschlägt“ . Gallup 2020

Frage: Werden es die Manager der deutschen Industrie schaffen, den sechs Herausfordungen Genüge zu tun?