Frieden schaffen ohne Waffen! Wie mit Putin verhandeln?

Putin frustriert

Es hat kein halbes Jahr gedauert, da ist der neue NATO Generalsekretär Jens Stoltenberg gegenüber Wladimir Putin rhetorisch genauso hart im Ton geworden wie sein Vorgänger. Der Grund: Putin bricht die Waffenruhe in der Ukraine, provoziert militärisch.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihren Dialog mit Putin scheinbar aufgegeben. Der Grund: in ihren Augen stellt Putin die europäische Friedensordnung in Frage. Außenminister Frank-Walter Steinmeier fordert noch vor Weihnachten neue Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien im Ukraine-Konflikt. Seine Analyse: seit drei Monaten ist es zu keinem Fortschritt gekommen.

Stattdessen erleben wir eine russische Militärmacht, die abenteuerliche und gefährliche Flugmanöver durchführt. Russische Schiffe tauchen unvermutet und unangemeldet in europäischen Gewässern auf. Putin verunsichert gezielt, er schüchtert ein.

Alle in Deutschland wollen Frieden!

Alle Parteien in Deutschland wollen Frieden zwischen Russland und dem Westen. Alle sind sich darüber einig: die Abwesenheit von Krieg und Gewalt ist das oberste Ziel staatlichen Handelns. Nie wieder Krieg, hieß es nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Gründung der Vereinten Nationen (UNO) war sichtbarer Ausdruck davon. Im Oktober 1945 unterschrieb auch die UdSSR die Charta der Vereinten Nationen.

Heute gehören 191 Staaten der UNO an. Ein wichtiger Artikel lautet: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt“. (Artikel 2.4 der UN-Charta)

Aktuell wird Russland vorgeworfen, die Souveränität der Ukraine verletzt zu haben. Alle Parteien in Deutschland verurteilen dieses. Wie auf diese Verletzung des Völkerrechts reagiert werden soll, ist allerdings strittig.

Was entschuldigt ein Motiv?

Die umstrittene Frage lautet: Wie sehr darf und soll sich der Westen engagieren, um die territoriale Integrität der Ukraine wieder herzustellen? Und gibt es Entschuldigungsgründe für die Tat? Alle sagen deutlich, die Annexion der Krim z.B. sei ein Bruch des Völkerrechts. Gilt dabei das Motiv Russlands, die Krim habe schon ewig zu Russland gehört, heilige Vorfahren hätten hier bereits Bäume gepflanzt?

Für Motive im nationalen Strafrecht wie in der internationalen Politik gilt häufig, das Motiv ist rechtsunerheblich. Wären nationaler Stolz, wären frühere Rechtslagen ein gültiges Motiv, heute Grenzen neu zu ziehen, gewaltsam oder per Abstimmung, dann hätten viele Staaten ein Recht, in fremde Länder einzumarschieren, dann wäre die Sicherheit der Welt dahin.

Was entschuldigt eine Kränkung?

Weiterhin heißt es, Russland fühle sich durch die Ausweitung der NATO und der EU in Richtung Ukraine bedroht und als Supermacht ein weiteres Mal gekränkt. Eine Kränkung ist immer subjektiv und geht von Selbst- und Wunschbild des Gekränkten aus. Die Ukraine hat Russland einen Korb gegeben, indem sie sich für die Annäherung an den Westen entschieden hat.

Auch ein verprellter und deshalb gekränkter Verehrer im persönlichen Bereich hat nicht das Recht, sich einfach zu nehmen, was ihm verwehrt wird. Das Selbstbestimmungsrecht im interpersonellen Bereich ist genauso ernst zu nehmen, wie das Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Realpolitiker, die Arroganz der Macht und der Internationale Strafgerichtshof

Realpolitiker stiefeln gerne über die Prinzipien der Moral hinweg, wenn sie ihre Interessen sichern wollen. Wir reden dann von der „Arroganz der Macht“. Die USA stiefeln über die personellen Menschenrechte hinweg, wenn sie Menschen im Interesse ihrer Macht/Nation foltern lassen. Diese Tat patriotisch zu nennen, die Täter als Helden zu preisen, ist Ausdruck moralischer Stumpfheit.

In den USA selbst haben Akteure des Staates die moralische Diskussion über diese Fehltritte losgetreten. Rechtlich überzeugende Maßnahmen gegen die Täter müssen folgen. Macht und Moral dürfen keine Gegensatzpaare sein.

„Gentlemen“ am runden Tisch der Weltpolitik

Am runden Tisch der Machpolitiker war das lange so: Gentlemen bezeugten sich wechselseitig einen hervorragenden Charakter und überschütteten sich mit Friedenspreisen am Sonntag, um dann am Montag eine Realpolitik ohne Moral zu machen.

Der internationale Strafgerichtshof in Den Haag, ein Organ der UN, sollte dem ein Ende bereiten. Er hat manchen Gentleman nach kriminellen Taten vor Gericht gestellt, z.B. den ehemaligen Präsidenten Serbiens, Slobodan Milosevics. Mehr als 120 Staaten sind dem Internationalen Strafgerichtshof bereits beigetreten. Die größten, bevölkerungsreichsten Staaten der Erde sind aber noch nicht darunter, so Russland, China, die USA, Indien und fast alle arabischen Staaten sowie Israel und Iran.

Eltern ermordeter Kinder aus Chile würden gerne Henry Kissinger vor dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag anklagen können und Eltern der Kinder aus den Niederlanden, die in der Passagiermaschine MH 17 im Juli 2014 über der Ukraine abgeschossen wurden, würden sicherlich gerne Wladimir Putin vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag sehen. Diese Gentlemen aber denken, was sie sich zum vermeintlichen Nutzen und Vorteil ihrer Nation in ihren Amtsstuben ausdenken, dürfe und könne nicht strafbar sein.

Putin, ein Rechtsbrecher mit Tradition

Putin ist dabei ein Rechtsbrecher mit Tradition. Er kommt aus einer Gewaltkultur, dem KGB, wo jedes Handeln rechtens war, wenn es im Rahmen eines Befehls geschah. Die Rechtfertigung zu Zeiten der UdSSR war der Schutz und der Aufbau des Sozialismus.

Heute bastelt Putin an einer neuen Legitimation. Von ihm angeführt und auf ihre Wirksamkeit geprüft werden: der Schutz des heiligen Bodens Russlands oder die Wahrnehmung nationaler Interessen oder völlig wertfrei, die Wahrnehmung des Interesses einer Großmacht.

Die Putin-Versteher und die Konsequenzen

Wer Putin dazu applaudiert, hat entweder zu lange im Dunstkreis der Macht gearbeitet und dabei ist ihm die Moral abhanden gekommen (die Gentleman-Variante) oder er möchte bei der Durchsetzung des nationalen Interesses der Großmächte bei diesen ein anderes Maß anlegen als an Mittel – oder Kleinmächte.

Auch das führt zu moralischem Chaos und politisch wäre damit eine der Grundlagen der internationalen Politik aufgehoben, die Gleichheit und Souveränität der Staaten. Einer Willkürherrschaft nationaler Großmächte und derer, die es sein wollen, wäre das Wort geredet. Gewonnen wäre nichts, verloren viel.

Wir müssen diese Dinge ehrlich und angstfrei beim Namen nennen. Wenn wir unser Denken durch Einschüchterungsmanöver, egal ob zu Lande oder zu Wasser, bestimmen lassen, siegt nicht das Gute.

„Gentleman-Politiker“ vor Gericht!

Wir müssen Putin und all den anderen „Gentlemen“ klarmachen, dass wir bereit sind, diese klaren Völkerrechtspositionen zu wahren. Wir sind bereit, darüber zu verhandeln, aber nicht bereit, souveräne Länderinteressen (hier die des Staates Ukraine) aufzugeben. Wir sind nicht bereit, uns von Aggressoren einschüchtern zu lassen.

Wir sind bereit, als letztes Mittel der Politik auch Gewalt anzuwenden, um die Rechte souveräner Staaten zu wahren. Und je eher Gentleman-Politiker aller Staaten es für wahrscheinlich halten, dass sie sich auch persönlich für ihre Politik verantworten müssen, umso eher vermeiden sie „schmutzige Politik“.