Satire: Die Reichsbürger-Grafschaft Hotte in Münster

Auszug aus dem Satire-Buch: Hotte-Hoppe-Heiter

Vermieter Hotte will das Mittelalter zurück und hat heiße Träume

Hotte wälzte sich im Bett schlaflos hin und her, er war tief gekränkt. Wieder einmal war sein Mieter Ferdinand aus dem ersten Stock grußlos an ihm vorbeigegangen und auch die Mädels aus dem vierten Stock ließen es an Respekt missen, sie knicksten nicht vor ihm und lächelten ihm auch nicht zu. Lediglich am Tage der Vertragsunterzeichnung hatte er dieses verdiente Hochgefühl eines Paschas und Vermieters erfahren. Helmut Hottrecke, Vermieter aus Münster und dort auch als „Hotte“ bekannt, schnaubte grimmig.

Im Vermieter-Club-Münster (VCM) hatte er damals erklärt, er dächte ernsthaft darüber nach, als Vermieter wieder das Recht auf die erste Nacht einzufordern. Schließlich stelle er den Frauen auch sein ihm Liebstes zur Verfügung, sein Elternhaus. Da dürfte er von ihnen vielleicht auch ein wenig mehr Entgegenkommen bei den ihnen lieben Dingen erwarten. Und was sei die langjährige Nutzung seiner Wohnung im Verhältnis zu einer einmaligen oder vielleicht auch mehrmaligen Nacht mit einer Mieterin? Das sei Mittelalter, hatten einige junge Vermieter aus dem Vermieter-Club-Münster (VCM) gerufen und aus der halboffenen Tür zur Küche des Club-Hauses hatte eine Frauenstimme ihn höhnisch gefragt, ob er es denn nicht vermöge, die Frauen kraft seiner Persönlichkeit ins Bett zu kriegen.

Hottes Anwalt das “Törfchen” soll Hotte helfen

Hotte hatte empört zurückgebrüllt, ob sie ihn nun auffordern wollten, seinen Mieterinnen nachzustellen. So herum ginge das ja wohl nicht. Er denke über Veränderungen im Rahmen des Gesetzes nach, das alles sei rechtsstaatlich. Eine Anfrage an den Anwalt seines Vertrauens, Dr. Theodor von Torf, habe er bereits mündlich gestellt. Er habe ihm gestern die Frage auf den Anrufbeantworter gesprochen. Er habe im Übrigen ein Vertrauensverhältnis zu diesem Anwalt. Er habe in der Schule bereits neben ihm gesessen und bei ihm abschreiben dürfen.

Sein Törfchen und er seien so, hatte er in den Saal gerufen und dabei die Hände ineinander gefaltet. Man möge sich also hüten, ihn dumm anzumachen. Hotte nannte Dr. Theodor von Torf, wie schon zu Schülertagen, gerne – an guten Tagen – sein Törfchen. An schlechten Tagen nannte er ihn einen Torfkopf. Sein Törfchen und er wären schon mit ganz anderen Leuten fertig geworfen, hatte er in den Saal gerufen. Und dann hatte er wutschnaubend die Sitzung des Vermieter-Club-Münster (VCM) verlassen.

Hotte fühlt sich von Reichsbürgern verstanden

Am anderen Morgen hatte sich Hottes Laune nach der Lektüre seiner Morgenzeitung, dem westfälischen Boten, gebessert. Er hatte in einem Artikel gelesen, dass es in Deutschland immer mehr Reichsbürger gäbe, die ihr eigenes Fürstentum ausriefen, von mehr als zwanzigtausend war die Rede gewesen. Der typische Reichsbürger sei, so wurde der Verfassungsschutz zitiert, männlich, über 50, sozial isoliert und überschuldet. Erst spät – meist nach dem 50. Lebensjahr – trete er der Gruppe bei und werde diese wahrscheinlich zu Lebzeiten nicht mehr verlassen. Der Reichsbürger-Experte ,Jan Rathje, sprach vom biographischen Bruch, als dem Start der Reichsbürger-Karriere. Erst gestern hatte Hotte so etwas wie einen Knacks in seiner Seele gespürt, als die Mädels ihn wieder einmal so eiskalt behandelt hatten. Das war – so schätzte Hotte – ein deutlicher und schmerzhafter biographischer Bruch.

Hotte hatte sich bei der Reichsbürger Beschreibung voll verstanden gefühlt. Überschuldet wäre er in jedem Falle, wenn er die Renovierung des alten Gemäuers, sein Hotte Haus, erst umgesetzt hätte. Er müsste die Wasserleitung komplett austauschen und die Heizung auch. Sein Anwalt und Schulfreund, das Törfchen, hatte müde mit den Schultern gezuckt, als Hotte ihn in seinem Büro dazu ins Gebet genommen hatte. Er könne doch seinetwegen nicht das Gesetz ändern, hatte er gemurmelt, das seien Vermieter-Pflichten. Er könne bei einer Modernisierung die Kosten auf die Jahresmiete mit circa elf Prozent umlegen, aber mehr gehe nicht. Wütend und enttäuscht hatte Hotte seinen Anwalt, Dr. Theodor von Torf, dann einen Torfkopf genannt.

Hotte träumt vom Reichsbürger-Revolver für Vermieter

Die Reichsbürger hatten tolle Ideen, fand Hotte und kuschelte sich tief in sein Bett ein. War man erst Fürst im eigenen Reich, musste man auch keine Schulden mehr bezahlen. Mahnung und Pfändungen waren im eigenen Reich einfach unzulässig. Einige Reichsbürger hatte sogar eine eigene Polizeitruppe gegründet. Die hatten Gerichtsvollzieher einfach festgenommen.

Und Waffen hatten auch viele von denen, hatte er gelesen. Mehr als tausend Reichsbürger seien bewaffnet. Hotte hatte nichts gegen Waffen in den richtigen Händen. Für Vermieter oder Hauseigentümer fand Hotte den Besitz einer Waffe ganz angemessen. Es gab immer mehr gefährliche Mieter in seinem Haus, fand er.

Da war zum Beispiel Kurt Schnappi aus dem dritten Stock, der sich unter dem Rock seiner Frau versteckt, eingeschlichen hatte. Sie seien verheiratet, hatte er Hotte keck erklärt, er dürfe hier wohnen . Gegen den und zum Schutz seiner angebeteten Yvonne, Kurts Ehefrau, fand er einen Vermieter-Revolver ganz angemessen. Er konnte sich vorstellen, den Revolver bei der Durchsetzung des neuen Vermieterrechts auf eine oder mehrere Nächte mit Mieterinnen gegen Kurt Schnappi einsetzen zu müssen.

 Sein Haus, sein Reich und er ein Fürst, Hotte ist begeistert

Als sozial isoliert empfand Hotte sich nicht, wenn gleich seine Frau Irene dieses behauptete. Hier fand er, träfe die Reichsbürger-Typisierung auf ihn nicht zu. Er hatte doch seine Irene, die Mieter und viele Zwerge in seinen Garten um sich herum, die ihn liebten. Jedenfalls hatte noch kein Zwerg oder Mieter das Gegenteil behauptet.

Der „westfälische Bote“ hatte berichtet, ein Bäcker habe in Ostdeutschland sogar ein Königreich ausgerufen und nenne sich nun Fürst Heinrich. Der Name war ihm etwas unmodisch erschienen. Gegen den Namen Fürst Helmut gab es in seinen Augen aber nichts einzuwenden. Noch flotter erschien ihm der Titel “Fürst Hotte“. Einige Fürsten hatten auf ihren Grundstücken unabhängige Reichsgebiete ausgerufen und eigene Flaggen gehisst. Das sei wahnhaft, hatte es im Artikel geheißen, aber Hotte fand das richtig gut. Er hatte schon lange von einer eigenen Fahne geträumt. Frohen Mutes ließ er seine Gedanken wandern und fühlte sich schon wohler in seinem Bette.

Er ließ seinen Wunsch Gedanken freien Lauf und war entzückt, was sein kreativer Kopf so alles leistete. Er, Fürst Helmut, würde die Grafschaft Hotte ausrufen. Eine Proklamation, also eine Krönung, stellte er sich so vor. Er würde eine Mieter-Versammlung einberufen in seinem von Zwergen übersäten Garten.

Er würde auf den stabilen Gartentisch auf der Veranda steigen. Statt einer Tischdecke, würde dort ein Schafsfell liegen, da ein Löwenfell nicht erreichbar war. Er würde dann allen huldvoll zuwinken und Irene, seine Frau, würde allen erst einmal ein Gläschen Erdbeer-Bowle einschenken. Dann würde er seine erste Rede an sein Volk halten.

Die hatten dann zu seinen Füßen auf der Veranda zu sitzen. Er würde sich ein Megafon umhängen und zuerst einmal die Mieter anschreien, dass von nun an Zucht und Ordnung in seinem Reiche herrsche. Er würde sie auffordern, als Zeichen der Bereitschaft zur Unterwerfung, den heiligen Boden seiner Grafschaft zu küssen.

Auch seine Frau Irene, die nun im Tiefschlaf neben ihm ruhte, war begeistert gewesen. Ob sie dann die Fürstin Irene sei, hatte sie gefragt und ihn ganz lieb angeschaut. Gerührt hatte Hotte ihre Hand ergriffen. „Ein Haus, ein Volk, ein Fürst“, sollte auf der neuen Flagge stehen, hatte er Irene erklärt. Er möge doch hinzufügen:„ Wir sind ein Volk“, hatte sie vorgeschlagen. Dann könnte er die notwendigen Renovierungen vielleicht auf Alle umlegen. Er könne ja den Mietern bei der Versammlung eine Art Urkunde ausgeben, den Hotte Taler. Dieses Papier verpflichte ihn zu Nichts, nähre aber beim Mieter die Illusion, Miteigentümer zu sein. Vielleicht käme er damit ja durch.

Hotte und der Ehevertrag

Hotte hatte das empört abgelehnt. Es reichte ihm, dass seine Frau Irene die Illusion hatte, Miteigentümerin des Hotte Hauses zu sein. Sie hatte bereits vor Jahren einen Ehevertrag unterschrieben, den ihm sein Törfchen aufgesetzt hatte. Seitdem war sie definitiv keine Miteigentümerin mehr. Sie hatte geglaubt, eine etwas längere Weihnachts-Grußkarte Hottes an seine Mieter zu unterschreiben. Das oben der Name von Hottes Rechtsanwalt gestandenen hatte, war ihr nicht ungewöhnlich erschienen. Hotte sei eben ein ganz korrekter, sagte sie gerne. So hatte es das Törfchen auch gesehen. Hotte müsse kein schlechtes Gewissen haben, hatte er Hotte gesagt. Er habe Irene drei Kinder geschenkt und bislang ein kostenfreies Wohnen. Und das bisschen Hausarbeit mache sie gerne, hatte Hotte versichert.

Darf Hotte in seiner Reichsbürger-Grafschaft auch Führerscheine ausstellen und mehr

Nun hatte Hotte etwas beruhigter in seinem Bette gelegen, die Hand seiner Irene in seiner und nahe dem Schlafe. Und als Reichsbürger könne er ja vielleicht auch sein eigenes Gesetz aufstellen in der Grafschaft Hotte, hatte Irene noch mit einem Augenzwinkern hinzugefügt. Als Fürst Hotte könne er ihr auch einen Führerschein ausstellen. Er hatte huldvoll genickt.

Hotte fand Irenes Ideen akzeptabel, hatte aber andere Vorstellungen von den Prioritäten der neuen Reichsbürger-Gesetze in der Grafschaft Hotte. Er hatte gerade über das neue Vermieter-Recht bezüglich der einen oder anderen Mieterinnen-Nacht sinniert. An dieser Stelle war Hotte eingeschlafen und das Recht der einen oder anderen Nacht mit seinen Mieterinnen im Schlafe eingefordert und als Fürst Hotte vollzogen.