Satire: Hotte, Hornissen und Poahl-Bürger

Hornissen Attacke auf Hotte

Ein tiefes Brummen hatte Hottes Frühstück auf der Terrasse mit Blick auf den geliebten Zwergen-Garten gestört. Gerade als Hotte die erste Tasse Cappuccino aus dem neuen Kaffee-Automaten aus Bella Italia genießen wollte, hatte es direkt über seinem Kopf, sozusagen in seinem Herrschaftsgebiet, heftig gebrummt.

Reflexartig hatte Hotte, der als Vermieter in der Verteidigung seines Eigentums gegenüber kecken Mietern geübt war, mit der Hand nach hinten geschlagen. Dann hatte er fluchtartig die Terrasse verlassen müssen. Mehrere übergroße Wespen schwirrten um seinen Kopf herum. „Das sind Hornissen“, hatte seine Ehefrau Irene gebrüllt und ihn ins Haus gezogen. Mieter Ferdinand aus dem ersten Stock habe vor kurzem ein Hornissen-Nest auf dem Balkon über ihrer Terrasse entdeckt. Sie habe Hotte nichts gesagt, weil Hornissen eigentlich friedlich und menschenscheu seien, wenn man sie in Ruhe lasse. Er werde den Hornissen den Marsch blasen, hatte Hotte getobt und umgehend seinen Rechtsanwalt, das Törpfchen, angerufen. So nannte er seinen über die Jahre erprobten Rechtsbeistand und alten Schulkameraden, Dr. Theodor von Torf. Der hatte ihm erklärt, Hornissen loszuwerden sei nicht so einfach. Die stünden unter Naturschutz, die könne man nicht einfach mit Gift wegsprühen, obwohl das rein technisch für einen Kammerjäger kein Problem sei. Wo denn das Hornissen Nest sei. Auf dem Balkon des Mieters Ferdinand hatte Hotte erklärt, Luftlinie zehn Meter über seiner Terrasse. Mit Mieter Ferdinand habe seine Frau schon gesprochen. Der stelle sich mal wieder quer und habe erklärt, er werde das Nest aus Gründen des Natur Schutzes respektieren. Im Oktober, spätestens aber im November werde die Königin von alleine aus dem Nest ausziehen und mit ihr alle Hornissen. Bis dahin werde er seinen Kaffee auf dem Zweit-Balkon zur Straße hin trinken. Einen Hornissen-Mord werde es mit ihm nicht geben.

Hotte und die akustische Alarm-Reize des Alt Münsteraners (Poahl Bürger)

Hotte hatte seinen Rechtsanwalt angefleht, nochmal zu überlegen, was man tun könne. Wenn diese Killer-Bienen ihn umschwirrten, schmecke ihm der Kaffee nicht. Und abends auf der Terrasse einen Rotwein bei Kerzenlicht zu trinken, sei auch nicht mehr möglich. Die Viecher seien nachtaktiv und Licht ziehe sie an, habe seine Frau herausgefunden. Es könne doch nicht sein, dass ein verdienter Bürger Münsters weniger Rechte habe als diese nichtsnutzigen Hornissen. Er sei ein Poahl-Bürger, also jemand, dessen Vorfahren in Münster bereits gesiedelt hätten, als Münster noch ein Dorf mitten im Moor gewesen sei. Seine Vorfahren hätten ihre Häuser auf Eichen-Pfählen gebaut, die nicht verrotteten, solange Wasser sie umspülte. Mücken seien damals die schlimmsten Feinde seiner Vorfahren gewesen. Es gebe in der Poahl–Bürger-Dynastie immer noch den vererbbaren akustischen Juckreiz. Sobald es irgendwo summe, beginne sich ein richtiger Poahl-Bürger zu kratzen und werde ungemütlich. In Münster habe ein Neurologe dazu einmal eine Doktorarbeit geschrieben mit dem Titel, „Akustische Alarm-Reize des Alt Münsteraners (Poahl- Bürger) und wahnhaftes Verhalten“. Die Studie sei heute noch im Stadt Archiv Münsters als Geheim-Akte im Tresor des Kellers verschlossen und das sei gut so. Immerhin würden etliche Prominente Münsters von den Poahl-Bürgern abstammen und gehörten zum ehrenhaften und einflussreichen Klub der „Poahl-Bürger blau-weiß“. Dieser Münster Adel werde sich nicht mit neurologischem Dreck bewerfen lassen. Arme Poeten und Wissenschaftler müsse man von Zeit zu Zeit wieder auf den Boden der Tatsachen bringen, wo naseweises Papier weniger wert sei als Macht und Tradition.  

Hottes Anruf bei der Abteilung „Hornisse“

Hotte hatte dann mit der Stadt Münster telefoniert, um die Sache kurz und schmerzlos zu beenden, so seine Worte. Die Telefon Zentrale hatte ihm mitgeteilt, dass Münster zurzeit unter einer Hornissen Plage leide und die Spezial-Einheit „Hornisse“ gegründet worden sei. Er solle seine Telefonnummer hinterlassen. Er werde im Laufe der nächsten Tage angerufen, wenn es sich bei ihm nicht um einen Not – und Sofortfall handle. Der sei zum Beispiel gegeben, wenn jemand im direkten Umfeld der Hornissen eine Wespen-Allergie habe oder wenn sich Kleinkinder im nahen Umfeld des Nestes aufhielten. Bei denen könne ein Hornissen Stich tödlich sein. Hotte hatte erklärt, es handle sich bei ihm um einen Notfall und war Minuten später von einem der Fachleute der „Task Force Hornisse“ angerufen worden, der sich Rudi Rundgras genannt hatte.

Dem hatte Hotte erklärt, er habe keine Wespen-Allergie, was zum Entfernen von Hornissen-Nestern berechtige, sondern leide an einer geerbten akustischen Allergie mit historischer Ursache. Fachleute sprächen von der Poahl-Bürger-Allergie, andere vom Juck-Wahn der Pohlis. Aus zwei Gründen sei ein Notfall gegeben. Die Hornissen schränkten ihn auf das Unerträglichste in seiner Lebensqualität ein. Ohne Kaffee und Rotwein auf der Terrasse mit Blick auf seinen geliebten Zwergen-Garten gerade er psychisch ins Wanken. Dann schien der Juck-Wahn mit Hotte durchzugehen und er hatte seine zweite Trumpf Karte präsentiert. Es werde Zeit, dass man sich seitens der Behörde kümmere, hatte Hotte lautstark ins Telefon gebrüllt. Er habe die halbe Nacht wachgelegen und sei von heftigstem Juckreiz geplagt. Dieses Summen aus Richtung Balkon und der ständige Hornissen-Anflug auf das Nest mache ihn fertig. Im Übrigen solle er den Bürgermeister grüßen, dessen Vorfahren auch Alt-Siedler Münsters seien und geschätzte Mitglieder im Klub „Poahl-Bürger blau-weiß“.

Der Mitarbeiter der Abteilung „Hornisse“, Rudi Rundgras, hatte ärgerlich gebrummt und erklärt, für neurologische Abnormitäten sei er nicht zuständig, ebenso wenig wie für die Stadt-Geschichte. Ob Kinder in der Nähe des Hornissen Nestes lebten oder ob jemand aus seinem Haushalt eine Wespen Allergie habe. Oder ob die Hornisse in einem Rollladen-Kasten in seiner Wohnung eingezogen seien. Dann könne man über die Entfernung eines Hornissen-Nestes nachdenken. Doch zuerst einmal müsse geprüft werden, ob es sich bei der von Hotte gemeldeten Störung überhaupt um einen Hornissen-Fall handle. Ob er ein Beweis Foto per Mail an seine Behörde schicken könne. Ängstliche Gemüter verwechselten Hornissen schon mal mit Wespen. Im Übrigen seien Hornissen eigentlich Nützlinge, die erst ungemütlich würden, wenn man sie ärgere. Darin seien sie deutschen Beamten sehr ähnlich. Je länger er sich mit Hornissen beschäftige, umso sympathischer seien ihm diese. Manchmal wünschte er sich, eine Hornisse zu sein. Er trage im Büro bereits eine gelb-schwarz-gestreifte Jacke,

seine Stimme sei etwas dunkler geworden und er manchmal habe er Lust, Störenfriede im sozialen Umfeld zu stechen. Seine Frau habe erklärt, er möge sich bitte in die Abteilung “Der Frosch, Dein Freund“ zurückversetzen lassen. Sein Quaken sei ihr lieber gewesen als sein dauerndes Gesumme. Und sie werde sich keine gelb-schwarz gestreiften Nachthemden kaufen. Sie fände das genauso wenig erotisch wie

sein Brummen und Summen beim Sex.

„Wie bitte“, hatte Hotte in den Hörer gebrüllt, ob er eine Macke habe. Auch die Stimme von Rudi Rundgras war schärfer im Ton geworden. Er werde in diesem Falle, wo Hotte neurologische Befindlichkeiten angesprochen habe, selber vor Ort prüfen, ob es sich hier überhaupt um Hornissen handele und ob die Entfernung des Hornissen- Nestes angemessen sei. Meistens seien die Menschen gefährlicher als die Hornissen und er betrachte sich mittlerweile als Beschützer der Hornissen.

Rudi Rundgras und Hornissen-Sex

Ob er wahnsinnig sei, hatte Hotte ins Telefon gebrüllt. Wenn er ihn richtig verstanden habe, so solle er Fotos vom Hornissen-Nest machen, dass sich auf dem Balkon seines Mieters befinde. Ob er sich nun eine Flugdrohne anschaffen oder in die Wohnung seines Mieters eindringen solle. Er sei empört, dass das Wort eines Ur-Bürgers Münsters vom Stamme der Poahl-Bürger nicht ausreichen solle. Er habe den Verdacht, dass Rudi Rundgras seinen Beschützer-Instinkt gegenüber Hornissen auf Kosten der Bürger Münsters ausleben wolle. Im Übrigen finde er seine Hornissen Sex-Spielchen pervers, ob er hornissophil sei. Er könne es gut verstehen, wenn seine Frau da nicht mitmache. Er selbst habe eine Schwäche für Garten-Zwerge und träume manchmal von einem heißen Date mit Schneewittchen aus seinem Zwergen-Garten. In Vollmond- Nächten seien die sieben Zwerge mit dabei, da gehe es mit ihm durch. Aber das sei deutsche Kunst und Kultur und sei mit den ruchlosen Hornissen-Sex-Phantasien von Rudi Rundgras überhaupt nicht zu vergleichen. Diesem fehle es außerdem an Respekt vor der Tradition und den Werten Münsters. Er, Hotte der Poahl-Bürger, leide an einer geerbten akustischen Summ-Allergie, die typisch sei für die historische Elite Münsters. Und mit der lege sich Rudi Rundgras gerade an. Er werde nun mit einigen prominenten Pohl-Bürgern aus dem Klub telefonieren und dann werde man ihm Feuer machen unter seinem gelb-schwarzen-Rundgras-Frack. Er lasse sich sein Frühstück und seinen gepflegten Rotwein-Abend inmitten seiner Garten-Zwerg-Familie nicht von zugereisten Öko-Freaks versauen.