Satire: Putin bietet Sepp Blatter politisches Asyl an

Ausschnitt aus dem Satire-Buch

Schlaf und Ruhe mit Wladimir

Erbost rammte Ferdinand den Besenstiel gegen die Holzdecke des Altbaus. Der abgehängte Boden über ihm verstärkte den Schall des Besenstils, sodass eine mittlere Explosion das mitternächtliche Mietshaus erschütterte. Erschrocken lauschte er auf eine mögliche Reaktion. Einen Moment lag das uralte Haus in Münsters Mitte in absoluter Ruhe da, dann trampelten wieder harte Militärstiefel auf dünnem Parkett. Die schicke Designerin über ihm nebst glatzköpfigem Lebensgefährten gefielen sich zurzeit im Military-Look. „Scheiße“ hörte er die Glatze brüllen, „schon wieder ne Party mit Feuerwerk“ und die Stones brüllten erneut, nichts könne sie befriedigen. Ferdinand stockte seine Weihnachts-Wunschliste um einen Flammenwerfer und eine Maschinenpistole auf. Während er sich die Ohren mit Kunststoff-Pfropfen verstopfte und eine Schlaftablette mit Wasser hinunterspülte, rief er zusätzlich das neue Mantra auf, das ihm Tatjana, seine Putzfrau und parapsychologische Beraterin für alle Lebenslagen, vermittelt hatte.

Bewusst entspannt legte Ferdinand sich auf das Bett und murmelte halblaut die Worte: „Wladimir, mein Lebensfürst. Ich lege mein Schicksal in deine Hände. Wladimir, sei Du mein Gott.“ Eigentlich war Ferdinand nicht religiös oder abergläubisch, aber Tatjana hatte ihn vor die Wahl gestellt, dieses Mantra zu sprechen oder am Designer-Terror zu Grunde zu gehen.

Zwanzig Minuten später, die Schlaftablette war durch einen guten Schluck aus der Wodka-Flasche intensiviert worden, hatte ein Koma-Schlaf ihn vom Lärm befreit. Eine CD mit Endlos-Schleife wiederholte mit der sonoren Stimme Tatjanas sein neues Lebens-Credo: „Wladimir, mein Lebensfürst. Ich lege mein Schicksal in deine Hände. Wladimir, sei Du mein Gott.“

Designer, Ü-40 Party und der Sputnik

Gegen vier Uhr morgens aber riss ihn die raue Wirklichkeit Münsters wieder in das Leben zurück. Die Designerin über ihm marschierte in Kampfstiefeln durch die Wohnung in Richtung Bad. Die Wohnung, geschätzte 180 Quadratmeter, gab ihr die Gelegenheit, dieses im Stechschritt zu tun. Das war gewiss super anzusehen. Die blonden Haare kühn gescheitelt, Nachthemd und Kampfstiefel am Körper.

Wäre er nicht vollkommen fertig gewesen durch Wodka, Tablette und Mantra, wäre das vielleicht die Grundlage eines erotischen Tagtraumes gewesen. So aber brüllte Ferdinand gequält auf, hieb mit Fäusten gegen die Wand und fragte sich, was tun. „Lesen Sie“, wenn Sie nicht schlafen können, hatte ihm eine kluge Therapeutin geraten. In Münster, der Stadt mit den meisten Therapeuten Deutschlands, traf man diese allerorten. Auf er letzten Ü-Vierzig Party hatte ihm eben diese geraten, weniger zu trinken und mehr zu lesen. Diese Weisheit und Tatjanas Mantra in den Ohren, wankte Ferdinand zum PC und googelte sich eiligst hinein in die geistige Heimat Tatjanas, den „Sputnik“, die Internet-Zeitung Russlands. Tatjana hatte ihm diese Seite angeraten. Hier finde man zusätzlichen inneren Frieden und den absoluten Durchblick. Mit zittrigen Fingern klickte er sich bis zum „Sputnik“ durch. Die Story, die er dort las, bestätigte Tatjana vollkommen. Mit aufgerissenen Augen las er die Schlagzeile: „Der russische Präsident Putin zeigt der US-Justiz und Dr. Eisenfaust die Rote Karte“

Er las, der russische Präsident Waldimir Putin sei entsetzt über das unsportliche Verhalten der westlichen Welt. Einen gewählten Fifa-Präsidenten, wie Sepp Blatter zum Rückzug zu zwingen, sei so undemokratisch und unfair wie der wiederholte Sieg des ukrainischen Boxers, Vitali Klitschko, allseits bekannt als Dr. Eisenfaust.

Wenn ein Dr. Eisenfaust zuschlage, habe jeder Sportsmann Protest zu brüllen. Der Name dieses ukrainischen Faschisten sei Programm und so habe Putin beschlossen, neue Panzer zu bauen. Wenn die Ukrainer bereits Fäuste als panzerbrechende Waffen einsetzten und das über lange Jahre, dann müsse Russland mit dem Bau neuer Panzer antworten, die so stabil und schnell seien, dass ein Dr. Eisenfaust und seine Faschistenbande keine Chance hätten, die russische Nation zu demütigen. So viel sei zum Sportsgeist des Westens anzumerken.

Ferdinand schaute erstaunt, hätte gerade aber auch gerne einen Panzer zur Hand gehabt, wegen der Kampfstiefel über ihm. Er las weiter: Den demokratisch gewählten Fifa-Präsidenten Sepp Blatter zum Rücktritt zu nötigen, sei Ausdruck westlicher Mediendiktatur und dem Einfluss des US-Imperialismus geschuldet. Dem könne nur mit der Solidarität lupenreiner Demokraten begegnet werden, so die Rechtsexpertise des lupenreinen Demokraten G.S. aus dem Umfeld Putins.

Dieser, erleuchtet durch langjähriges Inhalieren gesunden russischen Steppengases und stärkender Saunagänge mit Wladimir Putin, habe nun für den alten Freund und Politstrategen aus der Schweiz einen Fluchtplan nach Moskau ausgearbeitet. Ein Zwei- Stufen-Plan sei von ihm ausgearbeitet worden, wie Blatter zu retten sei. Der Plan habe den Namen „Basta und Blatter“ erhalten, den Namen „Basta und Pasta“ habe man abgelehnt, hier schwinge zu viel „bella Italia“ mit.

Phase 1: Edward Snowden verliert sein Dissidenten-Appartement im West-Flügel des Kremls

Erste logistische Maßnahmen zur Rettung Blatters seien bereits geplant. Dem guten Freud Russlands und ideellen Mitorganisator der Fußball-Weltmeisterschaft (WM) 2018 in Moskau, der nun unverschuldet in Not geraten sei, stünde ein sicheres Asyl in Moskau zu. Infrage komme eigentlich nur die schicke Dissidenten-Wohnung im Westflügel des Kremls, das einzige Asylheim Russlands für politisch Verfolgte, das zurzeit von Edward Snowden bewohnt werde. Da dieser Undankbare aber in Richtung Schweden desertieren wolle, überlege man, ihn stattdessen wieder auf dem internationalen Teil des Flughafens Moskaus im Transferbereich unterzubringen. Der US-amerikanische Whistleblower und ehemalige CIA-Mitarbeiter wohne zwar seit 2017 in Moskau, habe aber wohl noch Integrationsprobleme.

So habe Snowden sich einen Kater angeschafft und diesen Putin genannt. Nun wisse jeder, dass so ein Katerleben zeitlich begrenzt sei und Putin wahrscheinlich Präsident auf Lebenszeit. Frei laufend schaffe es ein Kater, so Studien aus Schweden, auf maximal drei Jahre, ein Stubenkater im Durchschnitt auf 14 Jahre. Das Leben des geliebten Führers Russlands so infrage zu stellen, zeuge von großem Undank und so habe man sich nach Konsultationen mit Demokraten aus Nord-Korea entschlossen, diesem Feind des großen Führers und Feldherren Wladimir Putin entschieden entgegenzutreten. Man habe ihm eine Frist von drei Tagen gesetzt, sich nach Schweden abzusetzen.

Seiner Argumentation, Putin habe in seiner Kindheit in Petersburg im Keller auch Ratten gejagt  und nenne die Jahre seiner Kindheit und Jugend in den Hinterhöfen und Kellern Petersburgs nun seine „Akademie für das Leben“, habe man sich nicht anschließen können. Es mache schon einen Unterschied, ob ein Kater oder ein zukünftiger Präsident Ratten jage. Auch der von Snowden angerufene Petitionsausschuss der russischen Nachtwölfe, ein russischer Motorrad-Club, dessen Ehrenvorsitzender Putin sei, habe hier keinen Grund zur Gnade gesehen. Zwar sei die Kindheit und Jugend des Präsidenten vorbildlich emotionslos und gewaltvoll verlaufen, einen Kater dürfe man aber nicht nach ihm benennen, möglicherweise einen Wolf oder Tiger, aber keinen Haus-Tiger. Das sei Majestäts-Beleidigung. Die Kreml-Dissidenten Wohnung, Russland eben einziges Asylheim für politisch Verfolgte, sei daher prioritär zu vergeben und von Snowden innerhalt von drei Tagen zu räumen.

Phase 2: Sepp Blatter wird außer Landes geschmuggelt

Interessiert las Ferdinand weiter und überlegte, auch seinen Fall den russischen Nachtwölfen vorzutragen. Seine russische Putzfrau und Lebensberaterin  Tatjanas hatte ihm dazu geraten. Da würden sich seine Nachbarn aber wundern, wenn statt seiner ein russischer Nachtwolf nachts bei den Nachbarn anklopfte. So ein russischer Hells Angel machte schon was her. Da wäre aber Schluss mit den Stones und die „Satisfaction“ wäre dann ganz auf seiner Seite.

Er fixierte seine müden Augen erneut auf die Zeilen des „Sputniks“ und las, wie der Fluchtweg Sepp Blatters geplant war. Da der  Sepp sich nicht aus der Schweiz heraustraue, wegen der überall in der EU drohenden Haftbefehle, sei ein komplizierter Fluchtweg geplant. Man wolle ihn via russischer Botschaft – Startplatz: Garten der Botschaft – in das Weltall schießen. Das Ziel, die dortige internationale Raumstation (ISS). Von dort solle er in das sichere Russland zu transportiert werden.

Geplant sei die Flucht-Expedition ins Weltall für das kommende Wochenende. Man habe die Schweiz deutlich auf die Exterritorialität der Botschaft hingewiesen und die Ölvorräte des gesamten kommenden Winters für den Start der Rakete bereitgestellt. Man habe Sepp Blatter auf mögliche technische Risiken hingewiesen, sowie auf mögliche Terrorakte der USA und der EU zur Verhinderung seines Exils. Man werde aber auch seine Asche, sollten die Feinde Sepp Blatter siegen, den Einzug in den Kreml gestatten. In der Raumstation hätten sich die russischen Patrioten bereiterklärt, mit dem Sepp Blatter Bett und Weltraumklo zu teilen. Die übrigen Mitbewohner der internationalen Raumstation (ISS) werde man mit Fakten überrumpeln, ein Blitzkrieg sozusagen. Von der Raumstation aus werde ihn in eine leere Versorgungsrakete zur Erde, zu Mütterchen Russland, bringen.

 Die Realisierung: Blatter und die Kommission

Ferdinand las begeistert und entgeistert zugleich weiter. Die markigen Worte des „Sputniks“ und Putins entschiedenes Handeln hatten den Schlaf einfach weggepustet. In Gedanken drückte er dem Sepp Blatter fest die Daumen und wünschte ihm ein frohes Leben in Tatjanas Heimat.

Auch der Sepp Blatter schien dieses Glück zu empfinden. Es hieß, er habe unverzüglich eine Kommission gegründet, die in seiner Pensionärs-Wohnung tagen solle. Seine 40-jährige Erfahrung mit Fifa-Kommissionen mache ihn zuversichtlich, dass diese nach dem gleichen Prinzip funktionierende Kommission innerhalb kürzester Zeit die Umsetzung des Planes ermöglichen werde. Starten werde die Kommission nun mit der Validierung des genialen Transports ins Weltall und auf die Erde. Da Heizöl haltbar sei, stünde einer jederzeitigen aber auch späteren Umsetzung dieses Planes in die Wirklichkeit nichts entgegen. Der Präsident freue sich darauf, bald oder später einmal, viele neue und alte Freunde in der Dissidentenwohnung im Kreml begrüßen zu dürfen. Spätestens aber im Jahre 2018 werde er – oder seine Asche – bei der Eröffnung der WM in Russland dabei sein.

Ferdinand bettete seinen Kopf auf den Schreibtisch vor dem Bildschirm und schlief mit seligem Lächeln ein. Noch waren Europa, der Sepp Blatter und er nicht verloren, seine Nachbarn würden sich noch wundern.

Erste Veröffentlicht: 13.06.2015