Satire: Wie Bayern Deutschland rettet

Horst Seehofer und die Flüchtlingskrise 

Die Vorbereitungen für das Fernseh-Interview mit dem bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer liefen auf vollen Touren. Die Pressesprecherin von Horst Seehofer war ins Studio gekommen. Sie erklärte, das Studio müsse auf 40 Grad aufgeheizt werden. Der Ministerpräsident leide seit Kurzem unter muskulären Verspannungen. Seehofer habe in den letzten Tagen und Monaten zu sehr unter Druck gestanden. Die Flüchtlingskrise habe ihm sehr zugesetzt und nun sei er gefordert, Deutschland zu retten. Das habe er sich fest vorgenommen. Auf seinem Pfadfinder-Kalender stünde dieses Projekt als „gute Tat der Woche“ ganz oben auf der „to- do-Liste“.

Eine Willkommenskultur für Horst Seehofer schaffen

Eine für das Interview noch auszusuchende Journalistin solle Horst Seehofer im Interview und auch schon vorher, das Gefühl vermitteln, er sei willkommen. Der Ministerpräsident sei, was viele gar nicht wüssten, ein sehr sensibler und einfühlsamer Mensch, der das Gefühl brauche, geliebt zu werden. Beim Anblick frierender Flüchtlinge an den Grenzen seines Reiches, werde ihm immer ganz kalt und weil er sich nun diesem Projekt, wie dem Pfadfinder-Buch versprochen, stellen müsse, sei das Studio hoch zu heizen.

Die Pressesprecherin hatte vorgeschlagen, die Journalistin möge Horst Seehofer mit einer guten Tasse Kaffee empfangen und einer langen herzlichen Umarmung, aber bitte wohldosiert. Ein Busserl links, ein Busserl rechts und die Umarmung mit ein wenig Busenkontakt, hatte sie vorgeschlagen. Der Horst solle sich erwärmen, aber nicht erotisch angemacht werden. Das schade seiner Konzentration auf die gute Tat und sei gegen die Pfadfinder-Ethik.

Marietta Slomka und der Schießbefehl

Ausdrücklich sei im Vorfeld und an Eides statt zu versichern, dass Marietta Slomka nicht das Interview führe und sich auch nicht im Umkreis von einem Kilometer beim Interview aufhalte. Der Ministerpräsident fürchte die kühlen Blicke der Journalistin und ihr freches Lachen und das impertinente Nachfragen. Figürlich habe er an ihr nichts auszusetzen, wenn sie nur den Mund halten würde. Allein ihre Aura führe bei ihm zu muskulären Verspannungen, darum der Sicherheitsabstand. Seine Body Guards seien angewiesen, allein ihre Nähe als einen Angriff zu verstehen und sofort zu schießen.

Fragen an den Ministerpräsidenten

Die Pressesprecherin von Horst Seehofer hatte erklärt, Fragen an den Ministerpräsidenten zu stellen sei eigentlich überflüssig. Er sei es gewohnt, sich selber Fragen zu stellen und diese dann korrekt zu beantworten. Ein mit feschem Lächeln vorgetragenes „Grüß Gott, Herr Ministerpräsident“ sei seitens der Journalistin ausreichend. Die Kamera könne sich bei der Gelegenheit mit dem Ausschnitt ihres Kleides beschäftigen, das Auge denke bekanntlich mit.
Horst Seehofer habe dann vor, den Schlachtplan darzustellen, wie Deutschland im Rahmen seiner wöchentlich Pfadfinder-Tat gerettet werden könne vor der Flut der Muselmanen, die Wien bereits eingenommen hätten und nun im Begriffe seien, Bayern und dessen bundesdeutsche Provinzen zu erobern.

Die Rettung des Staates und das lästige Individuum

Allein die grundsätzliche Sichtweise des Problems entscheide über die richtige Lösung. Bedroht sei nun die Staatlichkeit als solche. Flüchtlinge, egal woher und in welchem Alter, ob frierend oder sterbend, hätten die Grenzen zu respektieren. Nicht das Individuum, nein der heilige Staat sei bedroht. Individuen seien ersetzlich, sozusagen nachwachsende Rohstoffe, die erst durch den Staat ihre Bedeutung erlangten. Dies gelte im Besonderen für die Herrlichkeit des bayrischen Freistaates.
Wenn dieses Stichwort falle, solle im Hintergrund die bayrische Fahne gehisst werden und die Journalistin habe Seehofer schmachtend anzuschauen und die Worte zu hauchen: „mein Retter“.
Weitere Fragen seitens der Journalistin seien zu unterlassen. Der Ministerpräsident werde spontan entscheiden, ob er sich selbst weitere Fragen stellen werde.

Das Scheitern des geplanten Interviews und die Rettung des Staates

Letztlich war das Interview wieder einmal an der notorischen Unfähigkeit der Preußen gescheitert, in großen Dimensionen zu denken und dabei auch Details zu beachten. Im ganzen Sender hatte sich keine Journalistin gefunden mit den geforderten Gardemaßen und einem passenden Dirndl in Weiß-Blau und der Fähigkeit, ein Interview zu führen, ohne Fragen zu stellen.
Die Pressesprecherin hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten und erklärt, das Ganze werde nun vom bayrischen Rundfunk in gewohnter Routine durchgeführt werden. „Dahoam is dahoam“, hatte sie gerufen.
Auch die Rettung des Staates werde von Bayern aus organisiert werden, die Preußen schafften es ja nicht einmal, im Studio eine Willkommenskultur für Horst Seehofer zu schaffen, damit dieser dann, muskulär entspannt, aber in aller Schärfe und Kühle und dazu schneidig, das Flüchtlingsproblem lösen könne.