Satire: Dachschaden in Münster und Sultan-Zwerg-Erdogan

Auszug aus dem Satire-Buch:

Vermieter Hotte bekennt: „Wir haben einen Dachschaden“

Fast wäre Ferdinand die Treppe hinuntergestolpert. Diesmal lagen keine Zeitungen auf der Treppe des Hauses. Diesmal hatte ein großes Schild ihn aus der Fassung oder aus dem Gleichgewicht gebracht. „Wir haben einen riesigen Dachschaden“, stand darauf zu lesen. Unterschrieben war das selbst gemalte und bunte Schild mit Euer Hotte und Eure Irene“.

Die Designer trocknen Wäsche illegal und sind an allem schuld!

Ferdinand erinnerte sich an die Klagen des Designer-Paares, dass es bei ihnen von der Decke heruntertropfe. Helmut Hottrecke – Spitzname Hotte- hatte, in seiner Eigenschaft als Vermieter der Wohnung, die blonde Designerin angebrüllt, dann sollte sie gefälligst nicht so feucht kochen. Und es sei verboten, Wäsche in der Wohnung zu trocknen. Immerhin hatten Hottrecke seine kürzlich im ganzen Haus installierten Rauchmelder mit der besonderen Fähigkeit, Rauch zu melden, aber auch in Bild und Ton aus allen Räumen berichten zu können, vermeldet, dass die Designerin Baumwoll- und Seidenwäsche gerne auf dem Trockenständer zum Trocknen auslege. Hottrecke hatte seinen Anwalt, Dr. Theodor von Torf, sofort angewiesen, hier eine Abmahnung zu schreiben.

Humpen-Protest und Humpen-Olympiade

Abends war der Designer-Ehemann wutentbrannt bei Hottrecke an der Haustür erschienen und hatte ihm einen vollen Humpen Wasser ins Gesicht geschüttet. Er hatte gebrüllt, seine Humpen-Sammlung müsse nun herhalten, die Wassertropfen von der Decke aufzufangen. Hottrecke könne ihn mal am Humpen humpen“ und es „humpe nun mal von der Decke, „hump noch mal“. Hottrecke war klar geworden, dass Humpen sammeln als Hobby mit erheblichen Gefahren für die geistige Gesundheit verbunden war.

Dennoch war er beim nächsten Regenschauer, und darauf brauchte man in Münster nie lange warten, auf den Dachboden seines Hauses geeilt und hatte feststellen müssen, dass es zwischen den Dachziegeln her tropfte. Erst hatte er den Designer im Verdacht gehabt, hier am Humpen-Weit-und Hochwurf zu arbeiten. Immerhin hatte der vorgeschlagen, den Humpen-Wurf zur olympischen Disziplin zu machen.

Der Schadensfall und wer soll bezahlen

Dann aber war ihm eingefallen, dass es vor einigen Tagen heftig gestürmt hatte und an anderen Orten im Südviertel Ziegel auf die Straße gefegt worden waren.
In einer Krisensitzung in der heimischen Küche hatten seine Frau Irene und er nun folgende Beschlüsse gefasst. Die Abmahnung an die Designer solle ausgesprochen werden. Beleidigung und Körperverletzung, alles dokumentiert durch die cleveren Rauchmelder und die hohe Luftfeuchtigkeit in Folge des illegalen Trocknens, sollten es dem „Törfchen“ ermöglichen, so nannte Hottrecke seinen Anwalt, Dr. Theodor von Torf, in Momenten der gefühlten Nähe, einen Großteil des Sturmschadens auf die Designer abzuwälzen.

Der Schadensfall und das Wir-Gefühl – Irene hat eine Idee

Es war Irenes Idee gewesen, den rein sachlichen Text, der die Reparatur ankündigte, ein wenig „aufzupeppen“, so ihre Worte. Gruppendynamisch sei der Dachschaden eine einmalige Chance, das „Wir-Gefühl“ im Hause zu steigern. Sie nutzte dabei die Erkenntnisse der Wochenendtagung in der Pfarrgemeinde zum Thema: „Glaube als Gruppenerlebnis“. Der Pfarrer hatte erklärt, die Basisgemeinde der Christen habe vom Zusammenhalt gelebt, sei gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Dieses „Du im Ich“ und die gelebte Gemeinschaft müssten wiederhergestellt werden.

Irene hatte erklärte, nun ginge es darum, das Thema von der schlichten Sach-Ebene auf die emotionale Ebene, die Beziehungs- Ebene, zu heben. Man könne das Thema sachlich behandeln und einfach schreiben, „wegen Arbeiten am Dachstuhl bitte die Treppen freihalten“. Das aber schlösse die Hausgemeinschaft vom Erlebnis aus. Besser sei es, im Treppenhaus ein selbst gemaltes, buntes Schild anzubringen mit den Worten: „Liebe Mitbewohner, unser Haus wurde vom Sturm beschädigt. Nun wollen wir es gemeinsam reparieren und bitten alle um ihre Mithilfe“.

Das sei zu lang, hatte Hottrecke befunden, schließlich nenne die ganze Welt ihn „Hotte „ und nicht Helmut Hottrecke. In der Kürze liege die Würze. Da war Irene auf die geniale Idee gekommen, kurz und bündig zu schreiben: „Wir haben einen Dachschaden“. Und weil Hotte, den Schaden für groß erklären wollte, immerhin sollten die Designer „ordentlich dafür blechen“, so seine Worte, war „riesig“ hinzugefügt worden.

Zufrieden hatten beide ein Schild in den Flur gehängt, auf dem sie erklärten, sie hätten einen riesigen Dachschaden.

Der Sultan-Zwerg-Erdogan

Dieser Meinung war auch der Vorsitzende des Kulturvereins „Dein Zwerg und Du“, dem Hottrecke seit Jahren angehörte. Zum letzten Geburtstag hatten Hottreckes Enkel ihrem Opa Hotte zwei Gartenzwerge geschenkt, die sie in der Kita selbst gebastelt hatten. Es handelte sich um den italienischen Pinochio-Zwerg und einen Sultan-Zwerg aus dem Märchen „Tausend und eine Nacht“.

Opa Hotte war gerührt gewesen und beide Zwerge waren umgehend in das Zwergen-Volk in seinem Garten integriert worden. Dabei hatte Hottrecke den Sultan-Zwerg in die Märchengruppe „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ integriert. Hottrecke war dabei aufgefallen, dass der Sultan-Zwerg starke Ähnlichkeit mit dem türkischen Präsidenten Erdogan hatte. Die Kinder aber hatten erklärt, sie hätten das Bild in der Zeitung gefunden und aufgeklebt.

Hottrecke hatte ein Foto dieser neu gestalteten Märchengruppe und des Gartens an die Internet-Ausgabe seines Vereins „Dein Zwerg und Du“ geschickt. Die Enkel hatten diese Idee toll gefunden.

Shit-Storm für Helmut Hottrecke – Beschwerde des türkischen Kultur-Attachés

Zwei Tage später hatte ihn der Vorsitzende des Zwergen-Vereins angerufen und darüber informiert, dass man die Bilder aus dem Netz entfernt habe. Er habe viele Mails bekommen, in denen ihm und dem Verein Rassismus und Beleidung eines ausländischen Staatsoberhauptes vorgeworfen werde. Man bitte ihn umgehend um Stellungnahme. Anbei schicke er einige der Mails. Seine Mitgliedschaft sei vorläufig aufgehoben, so der Eilbeschluss des Vorstandes.

In einer der Mails hatte der türkische Kultur-Attaché persönlich geschrieben, dass es unerträglich sei, wie herablassend der Präsident Erdagon dargestellt werde. So sei der deutsche Zwerg „General Hindenburg“, deutlich größer als der türkische Präsident, so eine Fotoanalyse. Außerdem stehe der „Zwerg Hindenburg“ auf einem Hügel und sei von Fahnen und großen Zwergen-Soldaten umgeben. Der Präsidenten-Zwerg hingegen stehe in einer Grotte, sei von mickrigen Zwergen umgeben, die in einen gläsernen Sarg starrten, in dem ein junges, totes Mädchen liege. Diese Deklassierung werfe Fragen auf.

Die Göttin Europa und der vergiftete Böhmermann-Apfel

Wollte der anonyme Künstler hier den Zustand der Beziehung des türkischen Volkes zu Europa beschreiben, dargestellt durch die Göttin „Europa“, die nun im Sarge liege? Dieser Zustand sei herbeigeführt worden durch den Gift-Apfel, Sorte „Jan Böhmermann“, der nun allen im Halse stecke. Der anonyme Künstler und der Kulturverein „Dein Zwerg und Du“ sollten sich klar äußern und einem gewissen Helmut Hottrecke sei von einem Türkei-Urlaub in den nächsten Jahren abzuraten.

Helmut Hottrecke in Nöten: der Anwalt rät, Hottrecke handelt

Hottrecke hatte dem ganzen Treiben erst fassungslos zugeschaut und hatte dann umgehend den Anwalt seines Vertrauens, Dr. Theodor von Torf angerufen. Der war eine Zeit lang nicht zu sprechen gewesen. Dann hatte er Hottrecke – rein privat, wie er erklärte – seine Solidarität ausgedrückt. Schließlich könne jeder seinen Garten nach eigenem Geschmack gestalten. Sein Garten sei zum Beispiel eine „Hommage“, also eine Huldigung, an den westfälischen Adel, unter besonderer Berücksichtigung derer „von Torf“. Auch er habe mit den plastischen Mitteln des Tones arbeitend, den Werdegang seines Adelsgeschlechtes nach Zwergen-Art dargestellt. Dieses Kunstwerk sei allerdings dem gemeinen Volk nicht zugänglich und Fotos im Internet gäbe es auch keine.

Als sein Anwalt rate er ihm, den Zwerg-Sultan-Erdogan sofort aus dem Garten zu entfernen, sich beim türkischen Volke schriftlich zu entschuldigen und Geld zu spenden für den deutsch-türkischen Kultur-Verein. Vielleicht entginge er damit einer Anklage wegen Majestätsbeleidung.

„Die haben doch alle einen Dachschaden“, hatte Hottrecke gebrüllt. Nach Anbruch der Dunkelheit hatte er den Sultan-Zwerg aus der Trauergemeinde „Schneewichten“ entfernt. Den Pinocchio-Zwerg hatte er vorsichtshalber gleich mitgenommen. Hatte ihn beim letzten Besuch im italienischen Restaurant der Kellner nicht drohend angeschaut?