Satire: Hotte und das Satire/Comic-Coaching

Ausschnitt aus dem Satire Buch: Hotte-Hoppe-Heiter – Münster Satire

Hotte im Stress

Helmut Hottrecke, Vermieter aus Münster, hatte sich beim Satire-Coach angemeldet. Seine Frau Irene hatte erklärt, was nütze ihm alles Geld der Welt, die gesammelten Einnahmen aus dem Vermieten aller Häuser, die er mühsam und ehrenhaft geerbt habe, wenn er nicht mehr entspannen könne. Sein Blutdruck sei zu hoch, er trinke zuviel Rotwein. Die Lebensweisheit seines Vaters, Rotwein sei für alte Knaben eine von den guten Gaben, sei angesichts seiner Leberwerte sehr fragwürdig. Und er sei so gereizt, dass sie schon mal darüber nachgedacht habe, für eine Zeit zu den Enkelkindern zu ziehen. Seine Mordpläne gegenüber dem Mieter Ferdinand seien auch nicht mehr lustig anzuhören. Die Enkelkinder hätten ihr erzählt, der Opa spinne.

Hotte  macht  eine Therapie bei der Heilerin und Seherin Charlotte von Torf gegen Mörder Lust

Hotte hatte Irene erklärt, er sei bereit, an sich zu arbeiten und die Ferdinand-Mordpläne vorläufig zu vertagen, wenn sie bleibe und die Koffer wieder auspacke. Auch sein Anwalt und Schulfreund, Dr. Theodor von Torf, von ihm das Törfchen genannt, hatte von einer finalen Aktion, wie er Hottes Mordpläne nannte, abgeraten. Hottes Pläne seien schon zu ausgearbeitet und er rede schon zu lange überall davon, als dass man im Erfolgsfalle noch von einer Tat im Affekt reden könne. Sollte er sich dabei erwischen lassen, drohten ihm fünfzehn Jahre Knast.

Er solle es doch mal mit einer Therapie versuchen, hatte das Törfchen ihm geraten und seine Schwester ins Spiel gebracht, Charlotte von Torf. Die hatte nach zweimaligem Nicht-Bestehen des ersten juristischen Staatsexamens eine schwere Depression erlitten und sich danach als Seherin und Heilerin neu gefunden und erfunden. Sie hatte einer Schulfreundin das Ende ihrer Ehe vorausgesagt und Recht behalten.  Charlotte war sich sicher gewesen; denn sie hatte mit dem Mann ihrer Freundin eine Affäre gehabt. In Münsters spirituellen Kreisen hatte ihr das den Ruf einer Seherin eingebracht. Erst Jahre später war die Geschichte rausgekommen, als die beiden geheiratet hatten. Der Mann hatte daraufhin mit dem Trinken aufgehört, war statt dessen angefangen zu fluchen. Ihr hatte das zusätzlich den Ruf einer Heilerin eingebracht.

Hotte aber hatte nach einer teuren Probe-Sitzung genug von Giselinde gehabt. Zum einen hatte die ihn in der Schule schon immer verpetzt und wie sollte er ihr da Geheimnisse anvertrauen können. Zum anderen hatte er nach einer Stunde Tee trinken und Therapie zwei Tage Blasendrücken gehabt. Andauernd hatte er zur Toilette rennen müssen. So stellte er sich einen therapeutischen Erfolg nicht vor. Wenn er entschlacken wollte, trank er Brennnessel Tee. Das machte man so im Münsterland.

Hotte geht zum Satire-Coach

Irene hatte Hotte dann zum Satire Coach geraten. Vielleicht könne der ihm helfen, hatte sie mit säuerlicher Miene erklärt. Wenn er den guten und nicht billigen Rat von Giselinde in den Wind schlage, weil er zu viel Wasser abschlage, dann soll er es doch mal beim neuen Coach in der Nachbarschaft versuchen. Vielleicht habe der noch Zeit. Hotte hatte sich zu einer Probestunde bereit erklärt. Irene hatte ihre gepackten Koffer demonstrativ in den Hausflur gestellt.

Mürrisch hatten Hotte beim Satire-Coach angerufen und gefragt, ob er mal vorbeikommen könne. Der Satire-Coach hatte Hotte erst einmal einen  Kaffee angeboten, was den schon sehr entspannt hatte. Dann hatte er Hotte einen Vertrag vorgelegt, aus dem hervorging, dass alles Gesprochene streng vertraulich sei. Die Stunde koste achtzig Euro; Hotte hatte zugestimmt.

Der Satire-Coach hatte Hotte gefragt, warum er gekommen sei, was er für ihn tun könne. Hotte hatte einen roten Kopf bekommen und erklärt, es gäbe da einen Mieter, den er am liebsten umbringen würde. Der Kerl sei so ein Arschloch, das sei unglaublich. Der Kerl habe vor nichts Respekt und schon gar nicht vor seinen Gartenzwergen oder vor seiner Lebensleistung. Der Typ wolle ihm vorschreiben, wann er in seinem Hause bohren und hämmern dürfe und wie lange er nachts mit Scheinwerfern den Zwergengarten fluten dürfe. Er lehne es kategorisch ab, mit diesem Typen zu reden, den grüße er nicht mal mehr. Das überlasse er seinem Freund und Rechtsberater, dem Törfchen. Seine Frau Irene sei von der angespannten Situation im Hause so genervt, dass sie gedroht habe auszuziehen.

Der Satire-Coach hatte aufmerksam zugehört und Hotte erklärt, es handle sich hier um einen typischen Werte-Konflikt. Hotte und Ferdinand teilten offensichtlich nicht dieselben Werte. „Falsch“, hatte Hotte gebrüllt, es handle sich hier um einen Klassenkonflikt. Er und Ferdinand boxten in verschiedenen Gewichtsklassen. Er gehöre zur ehrenwerten Klasse der alt eingesessenen Paohlbürger Münsters, Ferdinand sei ein geduldeter Zugereister. Er sei Vermieter mit Kohle und Anwalt, Ferdinand unvermögend und im Mieterverein, „Die Schlaui-Mieter“. Es sei gute Sitte in Münster, dass der Schlaui-Mieterverein immer viel Wind mache und den Mietern Mut, dann aber die Prozesse verliere. Ferdinand habe sich bei der letzten Klage gegen ihn vor Gericht in das Verfahren eingemischt und einen Vergleich herbeigeführt. Er habe bei der Richterin einen guten Eindruck gemacht, habe man ihm berichtet. Er selbst sei nicht vor Gericht erschienen.  Das habe mit den verschiedenen Gewichtsklassen zu tun. Das Törfchen habe ihn würdig, aber nicht effektiv vertreten.

Dieser Ferdinand erschüttere das Rechtswesen. Der Vermieter Club Münster, der VCM e.V., habe damals eine Krisensitzung einberufen und man habe hinter verschlossenen Türen einige Lösungs-Szenarien durchgespielt. Vom Profi Killer der Mafia bis hin zum Entmieten durch Terror und Mobbing, alles sei sorgsam und nachhaltig durchdacht worden. Hotte war erschüttert in sich zusammengesunken. Aber getan habe man nichts. Man müsse den Rechtsstaat respektieren, habe der Vorsitzenden gemeint und traurig den Kopf gesenkt. Hotte hatte bitter geseufzt und gemeint, das sei typisch Anwalt: viele Worte, heiße Luft, langwierig, wenig wirksam und teuer.

Der Satire-Coach hatte beeindruckt genickt und gemeint, er könne die Verzweiflung Hottes gut verstehen. Hotte hatte schluchzend erklärt, der Kerl mache sich außerdem über seinen geliebten Zwergengarten lustig. Die Nachbarn schauten bereits komischer als sonst.

Der Satire-Coach hatte Hotte erklärt, der Sinn des Satire- und Comic Coachings bestehe darin, dass der Klient seine Sichtweise auf die Dinge ändere. So sei es in diesem Falle vorstellbar, dass Hotte seine Wut über Ferdinand verändere zu einem  Lachen über Ferdinand. Einen Rezeptions-Wechsel nenne man das. Hotte war begeistert gewesen. Und so hatten sie die Arbeit begonnen.

Satire Coaching: Hotte verfremdet die Geschichte

Der Satire-Coach hatte Hotte erklärt, er sehe das Coaching nun auf einem guten Wege, Hotte sei motiviert und habe ein Ziel. Nun gelte es, mittels Techniken des Satire/Comic-Coachings Veränderung in seiner Wahrnehmung zu schaffen. Ferdinand solle die Geschichte einmal ein wenig übertrieben erzählen. Er solle sich über Ferdinand lustig machen, indem er dessen Argumentation übertrieben darstelle. So fordere Ferdinand doch, dass Hotte die Mittagsruhe einhalte und in der Zeit keine lauten Arbeiten im Hause vornehme. Jetzt solle Hotte die Sache doch mal verschärft und übertrieben formulieren. Hotte könne zum Beispiel sagen, dieser nichtsnutzige Mieter-Zwerg erdreiste sich, Rechte einzufordern und seine Gesundheit höher einzustufen als die Freiheit des Hausherren Hotte, in seiner Burg nach seiner Laune zu schalten und zu walten.

Hotte hatte den Satire-Coach tadelnd angeschaut und erklärt, das sei nicht übertrieben formuliert, sondern entspreche den Tatsachen und was ihn außerdem störe, sei die respektlose Nutzung des Wortes Zwerg an dieser Stelle. Zwerge seien die besseren Menschen. Sie hielten ihre Klappe und gehörten keinen Mietervereinen an. Er würde den Kerl umlegen, wenn das straffrei wäre und Irene ihn dann nicht verlassen würde. Der Satire-Coach hatte geseufzt und gemeint, man könne es an dieser Stelle vielleicht mit dem Comic-Coaching versuchen. Man könne es versuchen hatte Hotte gemurmelt, er könne Ferdinand, den Angreifer auf Haus, Heimat und seine Ehre auch noch später umlegen. Es komme hier nicht auf die Minute an und manchmal seien Taten besser als Worte.

Comic-Coaching: Ferdinand das Riesenarsch

Der Comic-Coach hatte dann einen Flipchart in die Mitte des Raumes gestellt. Er hatte Hotte erklärt, dass man Ferdinand den Bedrohungscharakter nehmen könne, wenn man ihn bildlich lächerlich mache. Das sei eine gute Idee, hatte Hotte gemeint, im Zeichnen sei er in der Schule immer gut gewesen, das Rumschmieren auf Papier habe ihm immer gut gefallen.

Sie bräuchten nun ein Motiv, hatte der Satire-Coach gemeint. Wie Hotte denn Ferdinand sehe, was der denn für einer sei. „Ein Arsch“, hatte Hotte gebrüllt, „ein Riesenarsch“. Dann solle Ferdinand ihn doch so zeichnen, hatte der Coach vorgeschlagen.

Hotte hatte einen Riesenarsch auf das Papier gezeichnet. Er hatte den Arsch mit rotem Filzstift ausgemalt und mit fettem Schwarz über den Arsch „Ferdinand“, geschrieben. „Genial“, hatte er geschrien und das Bild gleich signiert. Der Coach hatte gelesen: Helmut Hottrecke-Meisterwerk. Hotte hatte sich vor Lachen gebogen. Er werde diese Zeichnung zu Hause im Wohnzimmer aufhängen, hatte er erklärt und gleich bei Facebook veröffentlichen. Jedes Mal, wenn er den Kerl nun sehe, werde er lachen müssen. Und sich über den Kerl tot zu lachen, sei vielleicht besser als ihn tot zu machen.

Die Zeichnung  war mit Lack übersprüht und damit wasserfest gemacht worden. Hotte hatte zufrieden das Honorar für zwei Stunden bezahlt. Er hatte die Zeichnung zu Hause gerahmt und über dem Kaminfeuer befestigt. Irene aber hatte erklärt, selten habe sie so etwas Geschmackloses gesehen und wenn er das Bild nicht weghänge, werde sie es eigenhändig im Kamin verbrennen. Die Koffer im Flur blieben erst einmal gepackt.

Hotte hatte zähneknirschend beim Satire-Coach angerufen und eine weitere Stunde vereinbart. Man könne ja versuchen, hatte er vorgeschlagen, die Kernaussage des Bildes zu erhalten und das Bild als abstrakte Malerei zu gestalten. Er könne sich ein rot grundiertes Blatt Papier vorstellen mit einem großen blauen Punkt in der Mitte. Mit spiegelverkehrter Schrift könne man dann in schwarzen Fettbuchstaben unter das Bild schreiben: Arschloch Ferdinand.

Geld spiele hier keine Rolle und man könne auch einen Graphiker hinzuziehen. Hier ginge es um seine Gesundheit und vielleicht könne auch die Krankenversicherung einen Teil der Kosten übernehmen. Er sei schließlich privat versichert und man könne das Ganze auch als therapeutische Maßnahme verstehen. Außerdem müsse das Bild den ästhetischen Standards Irenes genügen. Das Bild solle schließlich über dem Kamin hängen und von dort aus wirken.

Alternativ dazu könne er sich vorstellen, ein Comic Heft über seinen Mieter Ferdinand zu schreiben und zu veröffentlichen. Damit könne man Ferdinand in Wort und Bild fertig machen. Sein Anwalt, das Törfchen, wolle den Comic aber vor der Veröffentlichung lesen, damit der Schuss nicht nach hinten losgehe. Der Comic-Coach hatte mit Hotte eine Zehner Serie Satire/Comic-Coaching vereinbart.