Satire: Selbstfindungen und Koalitionen

Emily, Selbstinszenierung und Koalitionen

Emily liebte Facebook, hier war sie ein Star. Sie konnte sich hier jeden Tag neu erfinden, und sie tat es. Im wahren Leben hatte sie den Schulabschluss gerade geschafft, immerhin das Abitur. Dann aber  war sie am Studium gescheitert, sie hatte keinen Abschluss hingekriegt, somit keine Berufsausbildung.

Facebook ließ sie anders erscheinen. Hier postete sie fast jeden Tag ein neues Selfie. Emily bot dem Leben die Stirn in Siegerpose, schenkte der Welt viele Lächel-Masken.

Einen Abschluss hatte sie sich auch zugelegt, je nach Tageslaune einen MA, BA oder einen Doktor in Geschichte, VWL und BWL, Philosophie und anderes. Facebook war geduldig, verlangte keine Dokumente.

Dazu liebte sie Freundinnen, die das alles nicht verstanden, aber mit Faszination  an ihren gebildeten Lippen hingen. In dieser Koalition war das Leben einfach schön und so stylisch, hatte sie gepostet.

Berliner Selbsterfindungen: die stylische FDP

Auch in Berlin hatten Selbstfindungen und neue Identitäten Konjunktur. Die FPD hatte sich neue bunte  Pastell-Farben im Laufe der letzten Jahre zugelegt, eigentlich kein Programm mehr, sondern jugendliche Helden im Vorstand der Partei, die schick gekleidet waren. Inhaltlich  waren sie nicht gebunden. Sie waren im besten Sinne flexibel, dehnbar, eben liberal. Liberal sei liberal, hieß es immer wieder in Positionspapieren. Die Position der Partei bestimmte tagesaktuell ihr Vorsitzender.

Emily war begeistert gewesen. So ein schicker Mann, hatte sie geseufzt, der sei stylisch. Sie hatte sich vorgenommen, ihre Küche in diesen Parteifarben neu zu gestalten.

Grüne bleiben grün und sind öko-koalitionsfähig

Auch die Grünen hatten sich Mühe gegeben im Koalitionsreigen. Sie hatten beschlossen, eine Politik sei dann eine grüne Politik, wenn sie das so beschlössen, das Outfit stimme. Und so hatten sie dann der neuen Flüchtlingspolitik zugestimmt mit  Obergrenze, aber darauf bestanden, die müsse öko sein, wie auch die neue Finanzpolitik.

Die Kanzlerin hatte den Kopf geschüttelt und erklärt, an Buchstaben solle diese Koalition nicht scheitern. Und öko finde sie klasse, sie esse auch am liebsten öko, und die Matratzen  zu Hause seien auch öko.

Emily  hatte schnell begriffen und den  stromintensiven Elektroofen im Wohnzimmer mit stylisch grünem Farbband verziert. Sie heize voll öko, hatte sie ihren Freundinnen erklärt. Die hatte genickt, dazu waren Freundinnen da, fand sie.

Die CDU/CSU auch stark in der Sinnkrise

In den Reihen der CDU/CSU hatte die Wahlentscheidung der Bürger zu viel Kritik an den Bürgern geführt. Die CSU hatte eine Neuauszählung der Stimmen angeregt und verlangt, bayrische Stimmen müssten dabei doppelt gezählt werden. Wenn Sau-Preußen dem nicht folgen könnten, zeige das deren Mangel an sozialer Intelligenz.

In den Reihen der CDU hatte man sich entschlossen, der Kanzlerin die Federführung in Koalitionsfragen zu überlassen. Diese wiederum hatte erklärt,  Politik funktioniere nach den Gesetzen der Physik,  da kenne sie sich aus. Die Macht, in diesem Falle sie,  wirke auf umherirrendes Metall wie ein Magnet. Man könne sich auf dieses Naturgesetz verlassen, es brauche nur Zeit und einen starken Magneten, um die Verbindung Macht und umherschwirrende liberal/grüne Masse zu schaffen, eben eine Koalition.

Emily war begeistert gewesen. „Frauenpower“ hatte sie gekreischt und gleich eine Runde stylischen Sekt für alle Freunde in der Küche gegeben, die nunmehr dezent in Pastell-Farben gestrichen war mit leichten Grün-Tönen.  Voll okö-liberal eben.