Satire: Merzi soll Bundestrainer werden

Ausschnitt aus dem Satire-Buch: Friedrich Merz: Die Abenteuer von Merzi und Linni

Der Ekel Alfred Verein will ein neues Wunder von Bern

Gut gelaunt hatte Merzi seinem Generalsekretär Linni mitgeteilt, es könne sein, dass er der nächste Bundestrainer sei. Linni hatte losgeprustet, Merzi habe von Fußball soviel Ahnung wie eine Kuh vom Schlittschuh fahren. Merzi hatte zornig erwidert, gestern habe ihn der Verein „Ekel Alfred e.V. “ in einem Brief dazu aufgefordert, der nächste Bundestrainer zu werden. In Sachen Fußball brauche Deutschland ein neues Wunder von Bern, die deutsche Nationalmannschaft brauche eine Wiedergeburt.

Die Ekel Alfreds aus Gelsenkirchen hatten geschrieben, 1954 habe Sepp Herberger Deutschland zum Sieg geführt. Die deutsche Fußball Nationalmannschaft unter dem Kapitän Fritz Walter habe Ungarn in die Knie gezwungen und sei Weltmeister geworden. Ein freudiges Seufzen sei damals in ganz Deutschland zu hören gewesen. Nach Jahren der Schmach und Ächtung habe Deutschland in einem Fußball-Blitzkrieg seine nationale Größe wiedererlangt. Herberger sei im Juli 1954 bei Matsch und Regen in der feindlichen Schweiz zum tapferen Fußball-Kampf angetreten.

In der Halbzeitpause habe Herberger der Mannschaft erst den Tausch der Schraubstollen befohlen, dann habe er die Mannschaft zusammengeschissen. So ausgestattet und motiviert hätten elf wackere Germanen Deutschland zum Sieg geschossen. Nach dem Wirtschaftswunder habe das Wunder von Bern dem deutschen Volk den Glauben an seine Überlegenheit zurückgegeben.

Jetzt sei Merzi gefordert, Deutschland und der Nationalmannschaft aus einer beschissenen Lage zu helfen. Deutschland brauche heute das Wunder von Berlin, es brauche einen neuen Bundestrainer.

Die germanische National-Mannschaft

Merzi solle die Erneuerung der Nationalmannschaft zum Wahlkampfthema Nr. 1 machen. Zuerst müsse die Mannschaft personell verändert werden. Es müsse heißen, zurück zu den Wurzeln und wenn nötig, zurück auf die Bäume. 1954 sei die Fußballmannschaft krass germanisch gewesen, blond und blauäugig und ein bisschen dämlich, behaupteten böse Zungen. Aber das habe der Mannschaft nicht geschadet. Auch die Namen der Helden von Bern seien germanisch gewesen. Sie hätten zum Beispiel Kohlmeier, Walter, Morlock, Pfaff, Laband und Posipal geheißen. Die Weltmeister von 1954 seien aus diesem germanischen Guss gewesen. Und so könne es wieder werden, wenn Merzi sich dafür stark mache.

„Stopp“, hatte Line gebrüllt und Merzi den Brief aus den Händen gerissen. Das höre sich ziemlich rechtsradikal an oder sei Verarsche. Fast dreißig Prozent der rund achtzig Millionen Menschen in Deutschland kämen aus nicht germanischen Ländern. Diese Menschen mit Migrationsgeschichte ausgrenzen zu wollen, sei Apartheid, sei Rassismus. Wenn jemand nach 1950 in Deutschland eingewandert sei, dann sei er genauso deutsch wie einer, der schon immer in Deutschland lebe.

Die Ekel Alfreds hörten sich schlimm an, hatte Merzi gemurmelt, aber was tun, wenn viele in Deutschland so dächten. Linni hatte sarkastisch erklärt, „Leute esst Scheiße, Millionen Fliegen können sich nicht irren“.

Die Nationalmannschaft heute, eine bunte Truppe

Merzi hatte den Ekel-Alfred Brief halblaut weiter vorgelesen. Die Ekel Alfreds aus Gelsenkirchen hatten geschrieben, es sei an der Zeit, dass Merzi die Macht übernehme im verluderten Deutschland. Das Land gehe vor die Hunde. Spiele der Nationalmannschaft seien nur noch im Suff zu ertragen. Vor kurzem sei ihr Mitglied, der Freddy, kurz vor dem Spiel eingenickt. Als er wieder aufgewacht war, habe er gefordert, man solle auf das Länderspiel umschalten. Die bunte Horde auf dem Platz sei nicht die deutsche Nationalmannschaft, höchstens die französische. Die hätten wegen ihrer früheren Kolonien so viele Nord-Afrikaner dabei. Dann habe er sich empört, es sei unglaublich, die deutsche Nationalmannschaft werde von einem Türken auf das Feld der Ehre geführt. Der heutige Kapitän sei vom Blute her ein Türke und höre auf den Namen Gündogan. Ein gewisser Leroy Sane mit afrikanischen Wurzeln spiele im Sturm. Niklas Süle stamme von ungarischen Eltern ab und sei in der deutschen Abwehr tätig.

„Ja und“, hatte Linni seinen Chef Merzi unterbrochen. Fußball sei ein beliebter Sport, gerade bei Menschen mit Migrationsgeschichte. Der Deutsche Fußball Bund habe errechnet, dass 2030 die deutsche Nationalmannschaft wahrscheinlich zur Hälfte aus Menschen mit Migrationsgeschichte bestehen werde.

Merzi hatte unbeirrt weiter vorgelesen. Die Ekel Enkel hätten geschrieben, die Mannschaft sei nicht mehr deutsch. Bei Länderspielen sei deutsch auch nicht immer die Umgangssprache auf dem Spielfeld. Von den Nationalspielern Miroslav Klose und Lukas Podolski sei bekannt, dass sie auf dem Spielfeld polnisch miteinander gesprochen hätten.

Hier müsse Merzi als neuer Trainer hart durchgreifen. Bei Katzen gelte die Regel, es sei egal ob sie weiß oder schwarz seien, Hauptsache sie fingen Mäuse. Bei Nationalspielern sei das anders. Der Ekel Alfred Verein verlange, dass man unter der deutschen Flagge nur deutsch spräche, deutsch aussehe und deutsche Namen habe wie Müller, Maier, Seeler oder Morlock.

Das sei übelster Rassismus hatte Merzi gerufen und das Radio ganz laut gestellt. Wenn Merzi das politisch fordere, sei er ein Rassist.

Die Sepp Herberger Taktik

Merzi hatte den Brief nun im Flüsterton weiter vorgelesen. Die Ekel Alfreds hatten geschrieben, um beim Volke Gehör zu finden, müsse Merzi sich ganz einfach ausdrücken und die Sepp Herberger-Taktik anwenden. Wenn man ihm unangenehme Fragen stelle, so solle er einfach antworten, der Ball sei rund und das Spiel dauere zwei Mal fünfundvierzig Minuten. Bei Nachfragen solle er erklären, die Mannschaft bestehe aus elf Spielern, die im besten Falle Freunde seien.

Bei solchen klaren Ansagen würden Leute wie Freddy „jawoll“ brüllen und wissen, wo das Kreuzchen in der Wahlkabine zu machen sei. Von Freddy könne Merzi im Übrigen noch was lernen. Der habe ein Mehr-Familien-Haus geerbt. Wenn der neue Mieter suche und ein Gündogan oder Podolski anrufe, dann sage der Freddy einfach, „Ich nix verstehn“ und lege den Hörer auf.

Wenn Merzi demnächst die neue Nationalmannschaft aufstelle, solle er Freddy um Hilfe bitten. Dann hießen die Spieler wieder Schulze, Meier oder Rettich. Das klinge nicht nach großem Kino, sei aber urdeutsch und somit gut. Aus der Kabine wolle man in Zukunft die zackigen deutschen Worte hören, „Jawohl mein Führer“. Da werde dann nicht mehr mit dem Trainer diskutiert, sondern gehorcht, so wie früher.

Die nächste Sitzung des Vereins „Ekel Alfred“ finde in Freddys Kohlen-Keller statt. Wenn Merzi dabei sein wolle, dann solle er abends um acht Uhr mit der Kohlen Schippe dreimal gegen die Tür zum Kohlen-Keller hauen. Durch die Tür solle er dann die Parole rufen „Sieg Sepp“.

Linni hatte nach Luft geschnappt und gefragt, wie viele Leute den Brief schon gesehen oder gelesen hätten. Nur sie beide, hatte Merzi versichert. Linni hatte den Brief sofort in den Reißwolf gesteckt. Es habe dieses Gespräch nie gegeben, hatte er erklärt und über dem Reißwolf eine Flasche Original Weihwasser ausgeschüttet. Er werde den Bischof von Ratterborn bitten, für die deutsche Nationalmannschaft eine Messe zu lesen. Den Rest müssten die Spieler selbst erledigen. Gott sei mit den Seinen.

Und Merzi solle den Ekel Alfreds einen schönen Gruß ausrichten. Er, Linni, habe in der Fußball Schulmannschaft mitgespielt und ihn habe man früher den Dribbel-Linni genannt. Wenn hier einer Bundestrainer-Talent habe, dann er. Er werde aber als Bundestrainer dafür sorgen müssen, dass mindestens die Hälfte der Spieler aus Ratterborn käme. Dort spiele man immerhin in der gehobenen Regional-Liga. Das schulde er seinem Wahlkreis.