Satire: Rauchmelder, Ostereier, Lust und Frieden

Ausschnitt aus dem Satire-Buch:

Rauchmelder und Lust

Helmut Hottrecke, von Freund und Feind Hotte genannt, zeichnete mit dem dicken Handwerkerbleistift ein Kreuz an die Deckenwand über dem Bett von Erna Schmitz. Hier hatte sich seiner Meinung nach unbedingt ein Rauchmelder zu befinden. Hottrecke kicherte. Hier ging es heiß her, soviel hatten ihm seine Abhörmikrofone bereits gemeldet. Und er hatte sich fest vorgenommen, an den sexuellen Freuden seiner Mieterin weiterhin regen Anteil zu haben. Die Rauchmelder-Verordnung aus dem Jahre 2013 war ihm dabei wie ein Wink des Himmels erschienen. Hier meinte es jemand gut mit ihm. Er wusste nur noch nicht genau, wem er für diese Steilvorlage seiner Lustoptimierung danken sollte.

Rauchmelder und Frühlingsgefühle

Offiziell hatten bis zum Ende des Jahres 2016 alle Wohnungen in ganz Deutschland mit Rauchmeldern ausgerüstet zu sein, Neubauten bereits bis Anfang April, so das Gesetz. Hottrecke betrachtet deren Umsetzung als lustvolle Staatsbürgerpflicht. In seinem Haus hatte das bis zum Ende des Jahres eigentlich Zeit. Da er aber alle Leitung in diesem alten Kasten eigenhändig verlegt hatte, fand er die Idee, Rauchmelder anzubringen, sehr angebracht. Außerdem war Frühling, wie auch seine Hormone verkündeten.

Rauchmelder, Schlagbohrer und Rambo

Er setzte den Bohrer an und sein Altbau im Münster-Süd wurde vom Schlagbohrer erschüttert. Er liebte dieses Geräusch, war die Bohrmaschine doch die Maschinenpistole des deutschen Heim- und Handwerkers. Außerdem verstärkten diese hefigen Schläge – im Idealfall aus der Hüfte ausgeführt – sein Männlichkeitsgefühl.

Noch einmal setzte er den Schlagbohrer an. Eigentlich wäre ein Dübel Loch ausreichend gewesen zum Anbringen des Rauchmelders, aber Hottrecke spürte das dringende Verlangen, seinen Mietern in der Mittagszeit einmal mehr klarzumachen, wer Herr im Hause war und setzte den Schlagbohrer erneut an.

Schlagartig erlosch das Licht in der Küche von Erna Schmitz. Hottrecke hatte soeben eines seiner zahlreichen selbst gelegten Stromkabel durchbohrt und einen Kurzschluss herbeigeführt. Der Schlagbohrer lag regungslos in den Händen des Rambos vom Südviertel, so neckte ihn seine Ehefrau Irene in manchen Momenten. Liebevoll und mit einem Herzen umrahmt hatte Sie „mein Rambo“ auf einen Kaffee-Untersetzer gehäkelt und über seinen Schreibtisch gehängt. Zu Weihnachten sollte es eine gehäkelte Decke fürs Schlafzimmer geben, hatte sie augenzwinkernd versprochen.

Hottrecke war nun in seiner Pflicht gefordert. Er warf ein wenig Gips in das überflüssige Dübel Loch, übersprühte alles mit weißer Farbe und installierte den Raumelder. Die durchbohrten Kabel ignorierte er, aber er nahm sich vor, seiner Mieterin in einem anwaltlichen Schreiben deutlich mitzuteilen, dass sie für Schäden in der Wohnung haftbar sei. Gleichzeitig sollte der Anwalt sie auffordern, drei zeitlich nahe liegende Alternativ-Termine für eine Inspektion ihrer Wohnung zu benennen.

Rauchmelder, Observation und Frieden

Hottrecke schaute verschmitzt auf seinen Rauchmelder. Der könne mehr als nur Rauch melden, hatte er am Stammtisch für Vermieter erzählt. Im Internet hatte er als Rauchmelder getarnte Überwachungskameras erstanden. Die hatten sogar das CE-Zeichen, das eigentlich die Konformität des Gerätes mit europäischen Gesetzen garantierte.

Diese Rauchmelder könnten Rauch schnüffeln, versprach der Werbetext, aber auch Ton und Bilder übertragen auf jeden gewünschtenRechner. Hotte hatte seinen PC im Arbeitszimmer als Zielort der Signale gestgelegt. Er nannte sein Büro liebevoll seinen Führerbunker. Dort wollte er fortan das Feuer in seinem Hause auch präventiv bekämpfen, also jede Flamme im Keime ersticken.

Rauchmelder mit dieser Qualität sollte es seiner Meinung nach weltweit geben. Wer nichts zu verbergen hatte, hatte auch nicht zu befürchten, fand er. Was sprach gegen diese Art von Rauchmeldern im Harem oder in christlichen oder türkischen Haushalten. Es sollte – fand Hottrecke – eine Ehrenfrage nicht nur für Männer aus der arabischen Welt sein, sondern auch für Männer aus der westlichen Welt werden, die Sittlichkeit ihrer Frauen mit dem Rauchmelder zu überwachen. „Rauchmelder eingeschaltet?“ sollte zukünftig ein Ehrenmann einen anderen Ehrenmann zur Begrüßung fragen.

Auch Sicherheitsdienste sollten sich des Rauchmelders bedienen. Hottrecke wollte auf der nächsten Vermietersitzung im Viertel vorschlagen, eine Resolution zu verabschieden, die zwingend Rauchmelder in Moscheen und Kleingartenvereinen – hier hatten sich einige seiner schwierigsten Mieter zusammengerottet – und sonstigen Orten potentieller Unruhe vorschreiben sollte.

Rauchmelder-Schutz für Küche und Bad

Überhaupt nicht nachvollziehen konnte Hottrecke, dass Rauchmelder nicht im Badezimmer oder in der Küche installiert werden sollten.Gerade bei seiner Mieterin Erna Schmitz waren diese Orte große Gefahrenquellen. Sie vergaß schon mal, den Wassertopf auf dem Herd auszustellen, wenn sie lange unter der Dusche stand oder es heiß herging im Schlafzimmer. Erst neulich hatte er über seine Mikrofone im Führerbunker lange das Brodeln des Wasserkessels in der Küche von Erna belauscht und war dann mittels eines Nachschlüssels in deren Wohnung gestürmt. Eine fassungslose Erna Schmitz hatte er angebrüllt, was ihr nun lieber sei, vermasselter Sex oder ein Hausbrand.

Seine Erfahrungen waren also eindeutig, Rauchmelder gehörten auch in Bad und Küche und genau so würde er verfahren. Erna Schmitz musste seine Fürsorge ja nicht unbedingt bemerken. Auf ihrer Blumentapete im Schlafzimmer würde ein kleiner schwarzer Rauchmelder auch nicht auffallen, wenn man ihn geschickt in einen Blütenkelch integrierte.

Der Hotte-Rauchmelder-Kanal

Außerdem sah Hottrecke in den neuen Rauchmeldern ungeheure mediale Marktchancen. Wenn er die zukünftigen Rauchmelder-Filme aus Ernas Schlafzimmer ins Netz stellen würde, dann konnte er damit Erna neue berufliche Chancen eröffnen, den Gedanken des Feuerschutzes fördern und auch weniger finanzstarken Männern die Gelegenheit geben, an Ernas Lust teilzuhaben. Über die Reichweite des Kanals wollte er noch entscheiden.

Es stellte sich die Frage, wie er seinen Sendekanal nennen sollte: Hotte-TV oder Rauchmelder-TV.  Hotte war noch unentschlossen. Auf seine neuen Visitenkarten aber würde er drucken: „Programm-Direktor“. Stolz auf sich, das Land und seine Leistung war Hotte dann in seinen Führerbunker geeilt und hatte vor seinem PC Platz genommen, um die erste Probesendung nicht des Hotte-Rauchmelder-Kanals nicht zu verpassen. Seine Video-Kamera vor der Haustür, selbstverständlich als Rauchmelder getarnt, hatte ihm soeben gemeldet, dass Erna im Anmarsch war. Sie war damit voll im Zeitplan, den Hottrecke selbstverständlich kannte. Jetzt war Sport zu Ende. Gleich würde sie ein Bad nehmen und dann fürs Examen lernen.

Genüsslich stellte sich Hotte schon mal eine Tasse Kaffee neben den PC. Er war sich des historischen Momentes bewusst. Die Geburtsstunde des „Hotte-Rauchmelder-Kanals“ hatte geschlagen.

Rauchmelder und Ostereier

Jetzt wo Ostern vor der Tür stand, hatte sich Hotte eine Sonderleistung für den Rauchmelder ausgedacht. Er mochte es im Übrigen nicht, wenn man seinem Namen einen englischen Beigeschmack gaben und ihn Hotti nannten. Lieber hörte er, wenn sie ihn Hotte nannten. Hotte, das klang deutsch, wie Rotte oder Sprotte oder Motte.

Jedenfalls hatte Hotte sich überlegt, die neuen Rauchmelder auch beim Osteiersuchen seiner Enkel einzusetzen. Er wollte die Ostereier inmitten seiner Gartenzwerg-Kolonie im Garten verstecken. Diesmal hatte er entschieden, sollten die Ostereier hauptsächlich schwarz-rot-gold gefärbt sein. In früheren Jahren hatte er die Ostereier gerne grün und auch mit einer Sonnenblume drauf gefärbt.

Er hatte einen seiner Rauchmelder im Garten angebracht, an der kürzlich aufgestellten Laterne inmitten des Zwergen-Volkes. So konnten diese auch des Nachts sein Heim gut bewachen und er konnte, wenn er abends vor dem Fernseher entspannte, bisweilen einen träumerischen Blick auf sein Zwergen-Volk werfen.

Der Rauchmelder würde ihm in seinem Führerbunker zeigen, wie seine Enkel sich so beim Eiersuchen machten, und dann würde er ihnen über den großen Außenlautsprecher – eigentlich gedacht für Ansprachen an das Zwergen Volk und die Nachbarschaft – Ansagen machen. Vor seinem geistigen Ohr hörte sich schon kommandieren: „die Schritte, rechts, rechts, rechts und Treffer, Ei versenkt“. Die Vorfreude trieb ihm die Röte ins Gesicht.

„Woher weißt du das alles, Opa “ würden seine Enkel staunend fragen und er würde über den Außen-Lautsprecher verkünden: „der liebe Gott sieht alles, Opa Hotte auch“.