Satire – wann bekommt Putin den Friedensnobelpreis?

Ausschnitt aus dem Satire-Buch:

Frühling in Münster und russische Flaggen

Entspannt saß Ferdinand am Schreibtisch und schaute über die Dächer Münsters. Der Frühling war im Anmarsch und im „na dann“, Münsters Programmheft für den mittellosen Studenten, aber auch für die fertigen Semester danach, waren wieder viele Parties angekündigt. Ferdinand stand der Sinn nach Ü-40 Parties, Reggae und sich zu verlieben. Unter der Rubrik „Herzenswünsche“ hatte er vor Kurzem die Nachricht einer unbekannten Katharina gelesen, die angekündigt hatte, demnächst ihre junge russische Seele in den besten Jahren, so hatte  sie geschrieben, in Münster verlieren zu wollen. Diese interkulturelle Botschaft hatte ihn sehr angesprochen. Hatte es da nicht mal eine sehr gut aussehende Zarin Katharina gegeben mit Kultur und Leidenschaft?

Katharina in Münsters Kleingärten?

Sein Blick streifte in die nahe Ferne und blieb beim alten Wasserturm im Südviertel hängen. Dieser war von Kleingärten umgeben, die Gärten waren bunt beflaggt. Neben den Flaggen der üblichen Gewinner, dem FC Bayern und Borussia Dortmund, wehten einige russische Flaggen. Neugierig erhob sich Ferdinand vom Schreibtisch und wanderte einige Meter die Geist Straße im Süd-Viertel herunter, wo er seit vielen Jahren wohnte. Hatte sich dort vielleicht  seine Katharina versteckt und wartete darauf, von ihm wachgeküsst zu werden?

Wasser und gute Stimmung

Laute Musik drang aus einigen Gärten und immer wieder glaubte er den Namen Wladimir zu hören. Skeptisch wanderte  Ferdinand die Gärten entlang. Ein Musterbild deutscher Ordnung und Gründlichkeit war zu sehen. Der Rasen vor den kleinen, bunt angestrichen Gartenhäuschen war kurz geschnitten, die Rasenkanten waren ordentlich abgestochen, die für den Anbau von Gemüse vorgesehen Flächen glänzten umgegraben in der späten Nachmittagssonne. An großen Tischen vor den Häusern saßen Männer mit nacktem Oberkörper, aber langen Hosen. Sie trugen die Haare kurz geschnitten und die jüngeren hocken auf den Fersen im Kreis. Sie tranken eine wasserähnliche Flüssigkeit aus selbst beschrifteten Fläschchen. Ihre Stimmung schien mit jedem Fläschchen zu steigen. Und auch die Musikstärke schien mit dem Wasserkonsum wundersam gekoppelt zu sein.

Katharina erscheint

„Hey, du da“, rief ihm einer der Männer mit russischem  Akzent zu. „Sind wir zu laut oder was?“. „Mecker nicht“, rief ein anderer, „heute ist ein großer Tag für den Frieden“. „Komm Katharina“  rief ein Dritter, „gib dem Gartenfreund einen Stuhl“. Nun war Ferdinand weder ein Gartenfreund noch wollte er meckern. Aber der Name Katharina hatte ihn elektrisiert. Winkte ihm hier das Schicksal mit der Gartenschere? Eine schicke junge Frau, wie aus einer Modezeitschrift herbeigezaubert, trat aus einem der bunten Häuschen heraus und Ferdinand wäre nun nötigenfalls auch in ein Kloster eingetreten, um ihre Bekanntschaft zu machen. „Katharina“, hauchte er und versank  in ehrfürchtiges Schweigen.

Zahnputzbecher, Wasser und Wladimir

Die Menschen um ihn herum kümmerte das alles  wenig. Sie füllten immer wieder Zahnputzbecher aus Glas mit einem wasserähnlichen Getränk, das sie zärtlich „Wässerchen“ nannten und stießen auf einen Wladimir an. Der sei ein guter Mann, ein echter Kerl mit Mumm und Charakter, und den bräuchte man hier auch, wurde ihm immer wieder versichert. Dabei sahen die neuen, unbekannten Gartenfreunde vielsagend in seine Richtung. Ferdinand  war immer noch mit seinem ersten Zahnputzglas beschäftigt, was ihm schon die zweite, drohend vorgetragene Frage eingebracht  hatte, ob er nicht mit ihnen trinken wolle oder ob er vielleicht schwul sei. Katharina hatte vorwurfsvoll  geschaut und Ferdinand  hatte den Zahnputzbecher schnell geleert. Im Verlauf des weiteren Abends hatte er erfahren, dass ein gewisser Wladimir solange Bomben auf ein anderes  Land geworfen hatte, bis die ganze Welt verstanden hatte, dass es ohne ihn keinen Frieden geben könne. Die Bewohner des betroffenen Landes seien schließlich bereit gewesen, über Frieden zu sprechen, wenn er nur aufhören würde, Bomben zu werfen.

Katharinas Vater verdeutlicht den Friedensprozess

Ferdinand hatte ungläubig geschaut und eingewendet, manchmal legten auch Feuerwehrmänner Brände. Der Vater von Katharina aber, deren Schönheit mit jedem geleerten Zahnputzbecher „Wässerchen“ stieg,  hatte nur unwillig den Kopf geschüttelt. Er werde ihm den Friedensprozess beispielhaft verdeutlichen. Zwei torkelnde Gartenfreude waren aufgefordert worden, sich zu erheben und zu zeigen, was geschehe, wenn jemand ihre Ehre angreife, sie zum Beispiel schwul nenne. Die beiden hatten sofort begonnen, aufeinander einzudreschen und sich zu versichern, der andere müsse nun sterben. Als die beiden sich halb totgeschlagen hatten, war Katharinas Vater mit einem Spaten erschienen und hatte beide damit solange geschlagen, bis beide um Gnade bettelten. Dann hatte Katharinas Vater die beiden aufgefordert, sich die Hand zu geben und zu vertragen. So geht Frieden, hatte Katharinas Vater dann feierlich erklärt. Die beiden Kriegsparteien waren für ihr Rollenspiel reichlich  mit „Wässerchen“ entlohnt worden und alle hatten wiederum auf das Wohl eines Wladimir getrunken, der Ferdinand unbekannt war.

Katharina, der Verlobte und der Friedensnobelpreis für Wladimir

Einer der beiden begnadeten Laiendarsteller war von Katharina in den Arm genommen worden. „Mein Verlobter“, hatte sie Ferdinand stolz erklärt und der Vater hatte diesen einen guten Mann genannt. Wladimir müsse den Friedensnobelpreis  kriegen, hatte einer der Gartenfreunde dann gefordert. Ferdinand hatte seine Chance erkannt und war mit dem Versprechen, den jetzt gleich besorgen zu wollen, aus dem Garten entkommen.

Claude und neues Glück

Nach einem zweistündigen Fußmarsch für fünfhundert Meter, inklusive einer Bergbesteigung, so waren ihm die Stufen hin in das zweite Stockwerk erschienen, war Ferdinand wieder an seinem Schreibtisch angekommen. Er hatte in den zwei Stunden Zeit gefunden, den Wunschnamen seiner Traumfrau von Katharina auf Claire zu ändern. Nach Claire wollte er nun im weltweiten Netz der Einsamen suchen.

Erste Veröffentlichung 02.04.2016