Satire: Mein ferner Nachbar – Putin-Eintrag aus dem ironischen Tagebuch

Sorgen um den Nachbarn Wladimir Putin

Liebes Tagebuch:
Wie gut, dass Du mir zuhörst! Und so will ich Dir einige Gedanken anvertrauen, die mir besonders wichtig sind.

Ich denke, es ist Zeit, sich um Wladimir Putin Sorgen zu machen. Er soll sich so schrecklich verändert haben, klagt seine Familie. Er lebe bewusst nostalgisch, berichten Kreml-Insider, und er lese seltsame Bücher. Jetzt könnte man sagen, das sei sein gutes Recht, jeder habe das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Stimmt, aber: Wladimir Putin geht uns alle an!

Wladimir Putin geht uns alle an!

Wladimir hat den Daumen auf dem roten Knopf (der bitte nicht rosa sein darf, das macht ihn nervös) und wenn er den drückt, dann wackeln bei uns die Wände, mindestens.
Darum ist Wladimir so etwas wie ein Nachbar. Wenn der mit Bomben um sich wirft, kriegen wir das auch ab. Darum frage ich ganz nachbarschaftlich: Was ist los mit meinem fernen und doch so nahen Nachbarn, Wladimir Putin? Ich höre/lese, er habe sich den Lebensstil der Bohème zugelegt, sei schon länger in einer „Nostalgie Phase“ und lese seltsame Bücher.

Putin und der Lebensstil „Bohème“

Es ist zu hören, er lebe das Leben der Bohème: spät aufstehen, dann lange bummeln (in Wellness- und Sportanlagen), dann ein ausgesuchtes Frühstück (Frühstücksbrötchen und Eier, eingeflogen aus dem Palast des Patriarchen) und grüner Tee, dazu viel Fisch. Dafür lasse er auch schon mal gekrönte Häupter aus Spanien warten. Dann aber schaffe er in wahrem Schöpferrausch bis in die späten Abendstunden, bis in die Puppen, an einem neuen Werk, dem eisernen Neu-Russia.    Apropos Puppen: Die Gerüchteküche verrät, es gäbe da jetzt eine junge, neue Freundin. Das, lieber Wladimir, erklärt natürlich die Spätschichten. Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.

Wladimir und der Sport mit 60 plus

Das erklärt natürlich auch seine neuen Telefongewohnheiten. Er benutze Telefone aus Sowjetzeiten, heißt es. Das zeige eine politische Marschrichtung auf, flüstern die Kreml-Späher. Unsinn! Ein Mann in den besten Jahren – und Putin hat mit sechzig Lenzen seine besten Jahre vielleicht schon hinter sich – muss fit bleiben. Und wie clever, er nutzt die großen und schweren Telefon-Teile zum Hanteltraining im Büro. Dazu kommt ihm kein PC ins Büro oder ähnlicher Schnick-Schnack wie Handys. Auch wieder clever! Keine Ablenkung vom großen Plan durch Handy-Spiele und außerdem sehe ich meine Frage nun positiv beantwortet, ob die Dinger strahlen. Das schlägt auf die Potenz, haaaallo !!! Danke Dir, Wladimir.

Wladimir und die Bücherwahl

Erstaunt hat mich allerdings die Nachricht, dass er gerne Bücher früherer Führer Russlands liest. Es heißt, er durchforste die Kreml-Bibliothek nach Tipps und Ratschlägen seiner Vorgänger im Amt. Seine Mitarbeiter hätten sich bereits angewöhnt, ihn den Zaren zu nennen. Nun soll er sich zeitlich bis zu Stalin durchgearbeitet haben. Das erklärt so einiges. So hat er ein Rundschreiben weltweit verteilen lassen, heißt es, eine Art Mail-Entschuldigungsbrief an ihn. Einige Tausend sollen bereits unterschrieben haben. Darin entschuldigen sich all diejenigen bei ihm, die – wie er- entsetzt sind über all die journalistischen Schmierfinken und politischen Dumpfbacken, die partout nicht verstehen wollen, dass die Größe Russlands ein Naturgesetz ist (Das Neu-Russia-Phänomen). Ein Naturgesetz, ebenso wie die Tatsache, dass Männer nun mal die Chefs zu Hause sind und Panzer keine Grenzen kennen (haben halt kein Navi) und Frauen nur Männer heiraten oder so. Natur eben.

Der geniale Schachzug, die Selbstanzeige der Bösen

Alle, die den Brief unterschreiben, sollen aber bloß nicht glauben, damit seien sie runter von der Liste der Bösen. Wladimir ist bei der Lektüre nämlich bei Stalin angekommen, und schon mal was von Schauprozessen gehört? Der natürliche Ablauf dieser Prozesse ist nämlich: Erst werden die Täter benannt. Das ergibt sich hier per Selbstanzeige (wer sich entschuldigt, klagt sich an). Dann kommt der Prozess und die Täter werden reuig vorgeführt. In diesen großen Prozessen unter Beteiligung aller Medien (das nannte sich schon zu Stalins Zeiten „Schauprozess“) darf und soll der Täter Reue zeigen und wird dennoch oder gerade deshalb verurteilt. Zeugen werden natürlich auch gehört. Damit die keine Fehler machen in der Show, wird das vorher anständig geübt. Das Wesentliche am Stalin-Showprozess ist, das Urteil steht schon vorher fest, und das ist gut so. Damit kommt es dann nicht zu dramaturgischen Pannen (Richter, die meinen, nach Gesetzbüchern entscheiden zu müssen oder so).

Der Rechtsstaat oder so und Nachbarschaftshilfe

Nun sah ich eben im Regal Gesetzesbücher stehen und sofort – oh Waldimir mein ferner und doch so naher Nachbar aus dem Kreml- mir wird bewusst, Du stehst weit im Abseits. Die Weltpresse geißelt Dich. US-Präsident Barack Obama behauptet gar, es gäbe kein Gesetz, das Du noch nicht gebrochen hättest. Die NATO übt bereits vor Deiner Haustür, rein spielerisch natürlich, der Einsatzort wurde durch den Zufallsgenerator ermittelt. Doch Bilder jüngeren Datums zeigen Dich mit verkrampfter Muskulatur und das alles in der Nähe des Koffers mit dem roten Knopf. Geht gar nicht!

Wladimir und neue Bücher

Wladimir, ich sorge mich! Aber was können wir tun, rein nachbarschaftlich? Die Antwort ist einfach: Wladimir liest die falschen Bücher. „Zeige mir Deine Freunde und ich sage Dir, wer Du bist“, pflegte meine Mutter zu sagen. Ich sage, „zeige mir Deine Bücher und ich sage Dir, wie Du denkst“. Also: Wladimir braucht neue Bücher.

Gleich fällt mir das Buchprogramm der 70er Jahren ein, von dem ich vorzüglich profitierte. Mein Vater hatte zu Weihnachten einen Bücherscheck vom Bertelsmann-Verlag bekommen. Ausgesuchte Bücher der Weltliteratur kamen danach in steter Regelmäßigkeit zu uns, per Post. Ich las diese Mischung aus Historie, Sex und Krimi gerne. Hätte nur meine Tante, sehr fromm, nicht im Kirchenblatt gelesen, die Reihe sei moralisch zweifelhaft. Die Bücher verschwanden wenig später aus dem Regal und ich musste zur Formung meines Charakters in die Stadtbibliothek ausweichen. In der Abteilung „Nur für Erwachsene“ fand ich schließlich Ersatzlesestoff. Schicken wir Putin also in die Stadtbibliothek, oder besser, schicken wir ihm Bücher?!

Putin und die Chronologie

Ich habe da einen furchtbaren Verdacht bezüglich der Bücherwahl. Was, wenn Putin die Bibliothek nicht chronologisch, sondern nach Buchstaben durchforstet. Es sind halt so viele Bücher dort. Dann käme nach Z wie Zar und S wie Stalin irgendwann H wie Hitler. Und das wäre ganz schlecht im Sinne guter Nachbarschaft, sollte Putin das Buch „Mein Kampf“ lesen. Also schicken wir ihm viele Bücher, damit zwischen S und H noch vieles zu lesen ist.

Briefpost aus dem Kreml

PS: Eben klopft es an der Scheibe, vor dem Fenster sitzt eine Taube, einen Umschlag im Schnabel. Die Federn sind eingefärbt in den Farben Russlands, rot-blau-weiß. Auf der Brust ist zu lesen: „Hof Post Kreml“. Ich nehme das Schreiben entgegen und werde es gleich lesen (voll krass die Nostalgie!!). Vielleicht verrate ich Dir – mein Tagebuch – später, was Wladimir mir schreibt. Auf dem Umschlag steht: Das geheime Tagebuch von Wladimir Putin – ein Auszug.