Satire: Gerhard Schröder will Soziolismus statt Sozialismus

Auszug aus dem Satire-Buch: Die vielen Seiten des Gerhard Schröder

Fürst Bismarck im Schröder Büro

Ärgerlich warf Gerhard Schröder die Bild-Zeitung hinter sich an die Wand in seinem Büro in Hannover. „Die SPD im freien Fall“, stand in fetten Buchstaben auf der ersten Seite. Fast hätte er das große Fürst-Bismarck-Bild hinter seinem Schreibtisch getroffen. Das Bild war ein  Geschenk aus Russland. Schenker unbekannt, hieß es dazu in den Medien. Doch man munkelte, ein lupenreiner Freund und Demokrat aus Moskau sei der Spender. Fürst Bismarck hatte Russland immer als Weltmacht behandelt und sich der Gunst Russlands erfreut. Auch er hatte gern am Hofe des Zaren in Moskau oder Petersburg Sekt geschlürft und dabei gute Zigarren geraucht, natürlich auf Kosten des Zaren.

Die Aktie „Gerhard Schröder“ im freien Fall

„Vierzehn Prozent“, stöhnte Gerd Schröder. „Sie haben die SPD auf mickrige vierzehn Prozent heruntergewirtschaftet.“ Zu seiner Zeit als SPD-Vorsitzender hatten mehr als dreißig Prozent der Wähler die SPD gewählt. Vor seinen Augen sah er den Wert der Aktie „Gerhard Schröder“ täglich an der Medien-Börse „Politik, Eitelkeit und Kohle“ fallen. Der Marktwert der Aktie „Gerd Schröder“ war fest mit dem Wert der Aktie „SPD“ verknüpft. Sein Marktwert als Ex-Kanzler war mit dem Fortbestand Deutschlands verknüpft. Doch das machte ihm zur Zeit weniger Sorgen oder ließ seine Haare ergrauen.

Fürst Bismarck – ein Bild kann reden

„Was sagst du, mein Fürst?“, schluchzte Schröder und hob die Hände wie zum Gebet hin zum alten Reichskanzler. „Sozen“, donnerte es aus dem Bild. „Was willst du von diesen vaterlandslosen Gesellen erwarten?“ Er habe diese Bande als Reichskanzler schon 1878 verbieten lassen. Er erinnere an die Sozialistengesetze. Gerd Schröder schaute ein wenig irritiert, muckte aber nicht auf. War sein Weg zu den Sozialisten doch eher ein Missverständnis gewesen.

Motorrad Fahrt auf dem Sozius-Sitz und Soziolismus

Gerhard Schröder war als Kind bettelarm gewesen. Er habe jahrelang Fensterkitt gefressen, hatte er in seiner Biographie geschrieben. „Wir waren die Asozialen“, war dort zu lesen.  Er war aber immer schon ein aufgewecktes Kerlchen gewesen und der Bauer auf dem Hof, wo sie wohnten, hatte ein riesiges Motorrad gehabt, eine BMW. Mit Kinderaugen hatte er solange die Maschine angestaunt, bis der Bauer ihn eines Tages gefragt hatte, ob er mal mitfahren wolle, Sozius.

Er hatte eine dicke Lederjacke umgehängt bekommen und einen Stahlhelm aufgesetzt. Den hatte der Bauer noch aus Weltkriegszeiten. Dann war die Fahrt auf dem Rücksitz des Motorrads losgegangen. Sozius hatten sie den Sitz damals genannt. Später im Lateinunterricht hatte er erfahren, dass Sozius auf Deutsch Gefährte oder Genosse oder Teilhaber bedeutet. Viel später war er Sozius in einer Anwaltskanzlei geworden, die auch Motorradgangs verteidigte.

Soziusfahren war zu einer großen Leidenschaft für den kleinen Gerhard geworden. Er hatte sich an den Bauern geklammert, wenn es in hoher Geschwindigkeit  über die Wege und Felder Westfalens gegangen war. Soziusfahren war für ihn zum Inbegriff der Lebensfreude geworden. „Machen wir heute wieder Soziolismus?“, hatte der Bauer manchmal scherzhaft gefragt, wenn er den kleinen Gerd auf dem Motorrad mitnahm.

Der linke Lehrer, Sozius und Sozialismus

Und dann hatte  der Lehrer in der Schule im Geschichtsunterricht begeistert über Sozialismus geredet und seine Augen hatten dabei geleuchtet. Stolz hatte er aus dem Klassenzimmer auf den Schulhof gewiesen, wo ein schickes Motorrad stand. „Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit“, hatte er gerufen und die linke Faust in den Himmel gestreckt. Wer wolle, könne mal auf dem Soziussitz mit ihm eine Runde fahren. Die Klasse war begeistert gewesen.

Gerhard Schröder war zu der Zeit erkältet gewesen und die Ohren waren ein wenig verstopft. Soziolismus hatte er verstanden und geglaubt, hier werde die Kunst gepriesen, Sozius auf dem Motorrad zu fahren. Schuld war eben die Erkältung. Gerd Schröder war vom Lehrer begeistert gewesen.

Wie der Zufall es so wollte, war der Lehrer auch SPD-Vorsitzender im Dorf gewesen. Gerd Schröder war sofort Mitglied geworden. Ohne das Parteibuch auch nur durchzulesen, hatte er unterschrieben. Wer mit dem Lehrer Sozius fahren wollte, hatte sich eine Motorrad-Jacke überziehen müssen und einen Helm. Beide waren rot gewesen. Auf dem Rücken der Lederjacke hatte -SPD- gestanden. Gerd hatte sich zu Weihnachten eine solche Jacke gewünscht und auch bekommen.

Das große Erwachen

Es hatte Jahre gekostet, bis Gerd Schröder gemerkt hatte, dass er nicht Mitglied eines Motorrad-Clubs mit dem Namen „Soziolistische Partei Deutschland“ war, sondern Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Er hatte die Buchstaben auf seiner roten Lederjacke völlig missverstanden. Das Kichern der Hells Angels aus dem Dorf nebenan hätte ihn misstrauisch machen können.

In einer müßigen Stunde, und derer gab es nicht viele im Leben des jungen Gerd, hatte er das Parteibuch, seinen vermeintlichen Clubausweis, geöffnet und sich erschrocken. Bislang hatte er das rote, wasserfeste Büchlein meist als Bierdeckel genutzt. Nun las er drinnen vom Kampf der Proletarier für eine gerechte Welt. Bei Versammlungen des Clubs hatte er auf Fahnen alte Herren mit Rauschebart gesehen, Marx und Engels und andere. Das hatte Gerd Schröder schwer enttäuscht. Er hatte gehofft, Elvis Presley-Poster im Club-Heim vorzufinden oder die Rolling Stones. „Wo war er hingeraten“, hatte er sich verzweifelt gefragt.

Er war in einer „Kleine-Leute Partei“ gelandet. Da fuhr keiner außer dem Vorsitzenden eine Harley Davidson. Und sie sangen komische Lieder von Völkern und Signalen und letzten Gefechten. Gerd hatte sich betrogen gefühlt und überlegt, aus der Partei auszutreten. Doch dazu war es zu spät, er war inzwischen Juso-Chef geworden. Er hatte in der Partei gefallen mit seiner pragmatischen und schnodderigen Art und besonders mit dem Spruch, das mit dem Sozialismus habe er nie verstanden. Das war nicht gelogen.

Doch dann war damals die fesche Marie aufgetaucht, die auch bei den Sozialisten war. Um ihr zu gefallen, hatte er ein paar Kernsätze des Sozialismus auswendig lernen müssen. Auf einer SPD-Party war er nach ein paar Flaschen Bier und Schummermusik seinem Traum von Sex and Drugs und Rock’n‘Roll ein Stück näher  gekommen. Er hatte sich mit der SPD ausgesöhnt.

Er hatte es weit gebracht mit der soziolistischen Strategie. Er war der „Enkel Willy Brands“ in der SPD geworden. Auf diesem Sozius-Sitz hatte er gerne Platz genommen. Dem Bauern zu Hause hatte er erklärt, „flotte Sprüche, schicke Anzüge, Whisky und Girls“, das sei eine super Sause. Der Bauer hatte anerkennend genickt und gemurmelt: „Immer ran an den Speck.“

SPD und Soziolismus

Jahre später war es Gerd Schröder dann gelungen, seinen Jugendirrtum teilweise zu korrigieren. Er war zum Genossen der Bosse aufgestiegen und hatte die SPD  von klassenkämpferischer Romanik entrümpelt, so seine Worte „Nur die Harten kommen in den Garten“, hatte er erklärt und wer nicht arbeite, der müsse auch nicht gut essen. Das hatte ihm der Bauer auf den herrlichen Sozius-Fahrten auch vermittelt. Schröder hatte dieser Aktion den klingenden Namen „Agenda 2010“ gegeben. Er hatte den sozialen Kahlschlag erst „BMW 2010“ nennen wollen, aus nostalgischen Gründen. Doch keiner außer ihm hatte darin einen Sinn gesehen.

Einige Genossen hatte das den Glauben an die SPD gekostet. Schließlich hatte er es aufgegeben, die SPD soziolistisch zu reformieren, man hatte ihn gar abgewählt. Das hatte er diesen Losern nie verziehen.

Schröder erlebt eine Blütezeit des Soziolismus mit Freund Putin

Danach hatte er eine Blütezeit des Soziolismus erlebt. Aus Russland hatte ihn Wladimir  Putin zum Sozius-Trip eingeladen. Putin war sogar Ehrenvorsitzender des russischen Motorrad-Clubs „Nachtwölfe“. Putin hatte eine ähnlich arme Kindheit gehabt wie Schröder. Das war der Beginn einer tiefen Männerfreundschaft geworden und eines erfolgreichen Soziolismus. Gerne klammerte sich Schröder auch dann an Putin an, wenn der mit der Weltgeschichte Schlitten fuhr. Es wurde ihm reichlich gelohnt.

Schröders Umgang mit Störern des Soziolismus

Störend bis in die Gegenwart waren in den Augen Schröders die Versuche, den Markt-Wert der  Aktie „Gerd Schröder“ zu schädigen. Schröder sah sich immer wieder genötigt, hier einzugreifen. Immerhin war sein Name untrennbar mit der SPD verbunden. Die Partei auf Kurs zu halten, hieß auch seinen Marktwert zu erhalten. Besonders nervte ihn ein kleiner Juso-Chef, der sich ungefragt als schwul geoutet hatte und davon träumte, die SPD wieder sozialistisch zu machen. Der war so unsoziolistisch, dass er sogar von der SPD verlangte, von der starken „Groko-Maschine“ abzusteigen und die Regierung zu verlassen. Gerd Schröder konnte es nicht fassen.

Was ihm half in diesen schweren Zeiten, waren seine Dialoge mit Fürst Bismarck an der Wand im Büro in Hannover. Hier konnte er Weisheit und Kraft tanken.

Erste Veröffentlichung: 28.12.2018